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Emil Friedemann

 

Emil Friedmann

Der Name des schlauen Erzgebirgsbauern wird auch in Zeiten modernster Speditionslogistik eindrucksvoll durch die Stadt und über Land gekutschert, gern bis nach Schweden und an die Adria am Stiefelende der Apenninenhalbinsel. In Festzügen sind heute gelegentlich selbst die altmodischen Spezialwagen noch zu sehen, gut gepolstert für den Möbeltransport und mit Extrakabine für die Möbelbumser, die Kraftmänner mit ihren Tragegurten und mit dem berühmten Augenmaß: "Emil Friedmann - Chemnitz - Spedition".
Der Firmengründer war vom erzgebirgischen Forchheim nach Chemnitz gekommen, der junge Bauernsohn wurde Spediteur in der wachsenden Stadt, von Anfang an auf dem Sonnenberg. "Großvater entdeckte Gießerstraße 19," erzählt uns Christina Lohse, die "Chefin" seit Jahrzehnten, nebenan steuert die jüngste Nachfahrin des Gründers das Geschehen im Neubau Uhlandstraße. "Zuerst war er dort zur Miete. Bis der Hausbesitzer die Pferdeäpfel in der Tordurchfahrt nicht mehr appetitlich fand. Aber Friedmanns Stall für die PS für Kohle- und Möbelwagen war nun mal im Hof. Der Gründer Emil Friedmann kaufte kurzerhand Haus und Grundstück", erfahren wir. 1923 kam als erstes Möbelauto ein "Büssing mit Hartgummirädern" ins Inventar - Fotos hängen mit Stolz an der Kontorwand. Emil Friedmann zog sich vor 75 Jahren, 1936, zurück, ließ die Söhne ans Steuer.
Heute fährt man bei Friedmanns Mercedes, ein Neubau Uhlandstraße wurde nach der Wende gewagt, "VEB Kraftverkehr" gab den Löffel ab. Dort hatte Christina Lohse als Spross der 2. Generation gelernt und in allen Speditionssparten Staub geschnuppert - das Wort "Konkurrenz" mag Frau Lohse für heutige Verhältnisse weniger, spricht klar von "Mitbewerbern". Und bald will die 4. Generation ans Ruder.
Das ganz besondere, familiäre Klima eines Generationenunternehmens spürt man sofort quicklebendig, und Christinas Mann hat in jeder Hinsicht wohl goldene Hände. Gegenüber hatte Polstermeister Löser seine Werkstatt. Sohn Wolfgang (siehe Chemnitzer Köpfe 4/1994 ff.), der Hamburger Professor, kommt noch jetzt gelegentlich auf einen Kaffee auf den Sonnenberg zurück zu seiner Spielgefährtin aus Kindheitstagen. Halbstaatlich musste Firma Friedmann (Gründungsjahr 1899!) nicht werden. Für Interzonentransporte von regulären Aussiedlern kam sie infrage und nicht selten dachten die Nachbarn, dass dann die Möbel vom Kaßberg nach Bayern oder ins Rheinland transportiert würden. Stattdessen endeten die Transporte auf den Güterrampen des Bahnhofes, streng prüften dort DDR-Zöllner und versiegelten die Möbel zum Bahntransport. "Halbstaatlich" - das war eine Sondererfindung zur Zwangsenteignung dank Arbeiter- und Bauernmacht, speziell ab den 1970er Jahren. "Emil Friedmann" blieb "privat". Friedmanns Fuhrpark reichte vom Traktor bei Kriegsende (alle anderen Achsen waren längst zur Wehrmacht 'kriegsverpflichtet' eingezogen), über W50-Eigenaufbautypen im DDR-Konkurs bis zum gesunden Marktgespür im Reich der grenzenlosen Freiheit seit D-Mark und Einigungsvertrag. Bei alledem ist die Möbelspedition modern wie der sicherste Schräglift und kokettiert ganz wenig nur mit allen Referenzen dank universellem Fachpersonal und als Vertragsspediteur der Bundeswehr.
Wenn das der alte Emil Friedmann wüsste! Nie war bekannt, wie er ausgesehen haben mag. Für "Chemnitzer Köpfe" ging seine Enkelin ins gut gehütete Familienalbum.

 

Quelle: Stadtstreicher Chemnitz, Addi Jacobi