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Heinz Litten

 

Heinz Litten

Dramaturg, Spielleiter und guter Bruder

Während sich die Fraktionsspitzen im Rathaus und im Landtag die Köpfe zerbrechen, wie sie mit ungeliebten Wahlresultaten umgehen sollen und sich in aller Form in die Haare geraten, entschließen wir uns, an Hans Litten zu erinnern, den Chemnitzer Schauspieler, der nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten einschlägige Erfahrungen zu durchleben hatte. Der Umgang mit Andersdenkenden kann leicht von einem Tag zum anderen umschlagen in Ausgrenzungen und bald schon in ein schmerzliches "so war das aber nicht gemeint".
Wir treten an die Bücherregale der TUC-Bibliothek im Pegasus-Center und finden das alte Bändchen aus dem Greifen-Verlag: "Eine Mutter kämpft gegen Hitler" von Irmgard Litten. Und lesen: "Mein zweiter Sohn Heinz ist bei Nacht und Nebel aus Chemnitz geflohen, wo er Regisseur am Stadttheater war." Die Szene spielt im Jahr der Machtergreifung 1933. "In Chemnitz hatte man mit Hundepeitschen in der Hand nach ihm gesucht, hatte einen Wachdienst auf dem Bahnhof eingerichtet, um ihn im Fall seiner Abreise abzufangen. Heinz hatte sich während seiner mehrjährigen Tätigkeit in Chemnitz den stärksten Haß der Nazis zugezogen." Littens früherer Freund und Kollege Stein, der rasch zum Pg. geworden war, SA-Mann auch und folglich alsbald Intendant der Chemnitzer Stadttheater, hatte einen Zettel ans Schwarze Brett des Theaters machen lassen: "Dr. Heinz Litten ist das Betreten des Theaters verboten." Littens Mutter schreibt: "Da hielt Heinz es nicht mehr für zweckmäßig, länger in Chemnitz zu bleiben. Auch er klagte auf Auszahlung seines noch fälligen Gehaltes. Er hatte leider keinen Standartenführer, sondern einfach einen Anwalt, den er für gut hielt, gewählt. Da aber sein Gegner, der Intendant Stein, in voller Kostümierung vor Gericht auftrat und ihm nur ein normaler Rechtsanwalt ohne Parteiabzeichen gegenüberstand, ist es klar, wie die Entscheidung ausfiel. Den Zeugen rutschte das Herz in die Hosen. Einer schrieb an Heinz Litten, "er solle ihn doch nicht in die unangenehme Lage bringen, gegen seinen jetzigen Chef als Zeuge aufzutreten. Wenn er gegen ihn aussage, sei es aus mit seiner Stellung, um die er sowieso schwer ringen müsse." Frau Litten schreibt: "Heinz verlor den Prozeß mit Trommeln und Pfeifen. Heinz konnte sich noch nicht entschließen, Deutschland zu verlassen. Er fand, daß einer dabeibleiben und mir im Kampf um Hans beistehen müsse." Chemnitzer Szenen zwischen Schauspielhaus, Gericht und Hauptbahnhof.

Hans Litten - das ist der Bruder. 1938 starb er im KZ Dachau. Der bei seiner Klientel hoch geachtete Anwalt und glänzende Strafverteidiger, parteilos, war kurz nach dem Reichstagsbrand verhaftet und fünf Jahre in mehreren Konzentrationslagern des Dritten Reiches drangsaliert worden: "Hans Litten - der Anwalt, der Hitler in die Enge trieb" heißt es jetzt in renommierten Internet-Dossiers. Dort findet sich auch der charakterisierende Befund: "Dem Recht verpflichtet und keinen Gedanken an seine finanzielle Absicherung verschwendend, lehnte er Beschäftigungen im Reichsjustizministerium und in einer gutgehenden Anwaltskanzlei ab und wurde Rechtsanwalt am Kammergericht" (stephanus-pfadis.de). Im Edenpalast-Prozess 1931 gelang es Litten, "durch hartnäckige Befragung Hitlers, ob die Parteiführung mit dem gezielten Terror der SA gegen die politischen Gegner einverstanden sei, diesen zu Aussagen zu veranlassen, deren politische Klarheit unübersehbar war."
Mit der Machtergreifung folgten die Jahre der Rache des Regimes und bald der Tod im KZ. Als sich Prinz Wilhelm von Preußen um Gnade für Litten bemühte, brüllte der Kanzler ihn an: "Jeder, der sich für Litten einsetzt, kommt in ein Konzentrationslager, selbst wenn Sie das wären." Er hatte die Niederlage, die Litten ihm vor Gericht beigebracht hatte, nicht verwunden. Aus solchem Holz waren die Söhne Hans und Heinz des Königsberger Uni-Rektors Litten. Heute trägt der Neubau der Bundesrechtsanwaltskammer den Namen Hans-Litten-Haus, Adresse Berlin, Littenstraße 9.

In den dreißiger Jahren gehörte Heinz Litten als Dramaturg und Spielleiter zum Chemnitzer Theaterensemble, heute fest in der deutschen Theatergeschichte aufbewahrt dank seines Engagements für die Wiedererrichtung der Volksbühnenorganisation in Nachkriegsdeutschland und auch im Hinblick auf seine Emigrantenarbeit in England in den Gründerjahren des frühzeitigen Kulturbundes.

 

Quelle: Stadtstreicher Chemnitz, Addi Jacobi