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Herrmann Biedenkopf

 

Herrmann Biedenkopf

Kurt Biedenkopf hat jetzt seinen Platz im Landtagsplenum abseits der Regierungsbank eingenommen, teils als direkte Konfrontation mit alten Kontrahenten, bösere andere dieser Spezies schräg hinter sich, im Nacken. Jene unverletztbare Charakteristik sagt man gern auch einem Chemnitzer gleichen Familiennamens nach, ebenso die unermüdliche Geduld und Kompetenz des Lehrenden. Die Rede ist von Opa Biedenkopf, Lehrer der Chemnitzer Landwirtschaftsschule Chemnitz, wohnhaft Hainstraße. Ein Journalist hatte gleich nach der Wahl des neuen Landesvaters alte Adressbücher befragt und war verblüfft fündig geworden: 1898 noch ohne akademischen Grad, wohnte ein Hermann Biedenkopf an der Hainstraße 34, also über der Postfiliale neben dem späteren Haufe-Kino namens "Europa".

1901 war jener Lehrer Biedenkopf gemäß der verlässlichen Adressfolianten jener Zeit bereits Hainstraße 38 eingezogen, dem Eckhaus mit der Fleischerei, nun auch mit der vollen Titulatur: "Dr. phil. Hermann Biedenkopf, Oberlehrer der landwirtschaftlichen Schule". Keine Frage, dass dem Landesvater eine Einladung zur familiären Adresse vor Augen gebracht wurde. In einer kleinen Hausumfrage hatte eine Mieterin, die just hinter Opa Biedenkopfs Wohnungstür nichtsahnend wohnte, die Erwartung perfekt gemacht: Wäre schön, wenn er so auf eine Tasse Kaffee käme und sich sagen ließe, wie wir so gelebt haben und was wir jetzt erwarten... (Der Artikel im Chemnitzer Tageblatt vom 22. Februar 1991 notierte Frau Müller, Tisora-Telefonistin, als Gastgeberin.) Längst hat Kurt Biedenkopf die großväterliche Wohngegend in Augenschein genommen, war wohl auch im Haus bei passender Gelegenheit. Jetzt, in den Wochen der Gewöhnung an seinen Nachfolger im Amt, ist es botmäßig, die Chemnitzer Herkunft der Biedenkopfs an dieser Stelle zu verzeichnen.

Hermann Biedenkopfs Sohn erwuchs zum Vater des späteren Henkel-Vorstands (schon wieder dank Böhme-Fettchemie eine Chemnitz-Verknüpfung!) und CDU-Generalsekretärs Kurt Biedenkopf, der als sächsischer Ministerpräsident in wichtigen Zeiten kraft Amtes auch zum Bundesratspräsidenten und damit zum drittmächtigsten Mann Deutschlands wurde. Opa Biedenkopf aber darf man regelmäßig auf dem Weg vom Sonnenberg zum Schloßberg vermuten, denn die landwirtschaftliche Schule, zu deren Kollegium er zählte, begann an der Salzstraße, zog dann gegenüber in das dreistöckige Haus, das zum Vorläuferbau der Schloßschule wurde. Wie Opa Biedenkopf über seinen Enkelsohn Kurt gedacht haben mag, dürfen Interessenten gern herausfinden. Wir aber sind erfreut, heute das Foto des Chemnitzer Seniors zeigen zu können, erbeten in der Staatskanzlei gleichsam in letzter Minute und von dort auf den Weg gebracht am Tag des Rücktritts Prof. Dr. Biedenkopfs, Poststempel 17. April 2002.

 

Quelle: Stadtstreicher Chemnitz, Addi Jacobi