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Marie Pleissner

 

Marie Pleißner

Juristisch unanfechtbar lauten die Lebensdaten der Lehrerin Pleißner, zuletzt Friedrich-Engels-Oberschule an der Hohen Straße, geboren 1901 in Chemnitz, verstorben 1983 in Karl-Marx-Stadt. Man wohnte Platanenstraße 12 bis zu den Bombenangriffen auch benachbart mit Architekt Willy Schönefeld: Vater Paulus war pensionierter Oberlehrer, Bruder Rudolf eher der Sozialdemokratie zugeschrieben und als Kunstmaler der Kunsthütte Chemnitz zugetan, Marie Pleißner frühzeitig liberal. Pla-tanenstraße 12 (heute Marianne-Brandt-Straße) war auch die Adresse, von der aus die sogleich nach Machtantritt der NSdAP-Schlächter suspendierte HÖMBA-Lehrerin von den Nazis verfrachtet wurde: Ins KZ Ravensbrück. Dort ist ihr längst in der Gedenkstätte eine eigene Vitrine der Erinnerung gewidmet, eine Gedenkmappe überdies.
Die Nazitorturen überlebend, verlor sie ihren Vater in der Nacht des Großangriffs auf Chemnitz. Marie Pleißners Grab findet sich auf dem Nikolai-Friedhof, wenngleich die Quäkerin in den fünfziger Jahren aufhörte, Kirchensteuer zu zahlen. Austritt. Konsequent.

Marie Pleißner zählte zu den Überlebenden, die aus der ostdeutschen Lage zwischen Trümmern, Reparationsleistungen, Alliiertem Kontrollrat, Potsdamer Abkommen und neuen demagogischen Diktatoren ringsum mit starkem Neuaufbauwillen ihre vermittelnde Kleinarbeit, namentlich mit den Möglichkeiten als Stadtverordnete im damaligen Stadtparlament verrichteten. Nun also mit frischem Abitur wieder im Schuldienst, beteiligte sie sich mit Liberalen wie Rolf Seyffarth an der Gründung der LPD, gehörte so bald zu den gewählten Mitgliedern des Sächsischen Landtages, wurde zum Chemnitzer Mitglied des Deutschen Friedensrates und nahm an der deutschlandweiten Christlichen Friedenskonferenz aktiv teil. Ihr Credo richtete sich "An die Regierungen, Parlamente und Kirchenführer Gesamtdeutschlands".
Der Text zur Laudatio dürfte heute nur bedingt interessant sein: Marie Pleißner wurde der "Stern der Völkerfreundschaft" zuteil, ein gleichsam unvergleichbarer Orden in der deutschen Nachkriegs-Ordenszier der nonkonformistischen Teil-Deutschländer. Marie Pleißner erhielt die Rarität frühzeitig aus Händen der Ostobrigkeit und zeigte sich - wie überliefert ist - bei Bedarf unkritisch gegen die Ordensstifter bei Quäkertreffen in der BRD. "Sie war nicht frei von Herbheit und besaß eine ernste Direktheit, die nicht jedem zusagte", weiß ein Kirchenlexikon ohne Bezug auf Maria Pleißners KZ-Erlebnisse. Bei der Erinnerung an jene antifaschistische Widerstandskämpferin aus Deutschlands furchtbarster Zeit bleibt der wichtigste Wunsch, weder Links noch Rechts möge irgendwann diese starke Chemnitzer Biografie für ihre begrenzten Zwecke in Anspruch nehmen. Das würde der Pleißner nicht gerecht. Aber ein Stolperstein am Fußweg vor ihrem Wohnhaus in der früheren Platanenstraße dürfte es schon sein, solange sich - und wohl in Marie Pleißners Sinne - heutige Stadträte fraktionsübergreifend dafür verwenden. Denn gewählte Standesvertreterin im Rathaus war sie eben auch. Jahrelang, vornehm und intensiv.

 

Quelle: Stadtstreicher Chemnitz, Addi Jacobi