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Paul Cammann

 

Paul Cammann

Seine Firma wird jetzt 140, sein Industriehochhaus im Chemnitztal 80 Jahre alt

Die eindrucksvolle Gestalt des Cammann-Hochhauses im Chemnitztal, inzwischen freilich von höheren Bauwerken dort überragt, ist dem Chemnitzer Architekten Willy Schönefeld zu danken. Als er ans Werk ging, stand der Firmengründer im 61. Lebensjahr und für seine Stoffe der Luxusklasse noch jahrzehntelang vital seinen Mann: Damaste, Mobelplüsche, Wagenripse, Doppelmoketts, Seiden- und Brokatvelours - Phantasiestoffe, dank seiner gebildeten Talente als glückliche Symbiose von Kaufmann, Künstler und Techniker. Paul Cammann bewohnte die fünfte Etage!
Paul Cammans Kompagnon Richard Krüger, ein Chemnitzer, der Ende 1939 verstarb, hatte mit ihm die frühe Gründung und schlaue Spezialisierung 1886 an der Chemnitzer Ziegelstraße 16 mit seinen Kapitalien in Konjunktur gebracht: Der Chemnitzer Handweberei folgte die mechanische Weberei. Exklusiv auf internationalen Messen präsent, wurden die Lieferungen der Firma "Cammann & Co." bald aus Kanada, den Vereinigten Staaten von Nordamerika, aus dem verwöhnten England und aus arabischen Schatullen vermögender Kunden bezahlt. Wer erste Klasse reiste, saß oft auf Chemnitzer Cammann-Plüschen. Ein eigenes Atelier sorgte für Raffinements. Zuerst vierzehn, bald 60 Stühle in den Websälen brachten in sehenswerten Farbharmonien dank Kette und Schuss eben jene Stoffe hervor, die bald selbst zu Exponaten hiesiger und auswärtiger "Vorbildersammlungen" der Branche wurden: Cammann Chemnitz! An der Blankenauer Straße verstaubt heute ein kleiner Rest des ehemals und bis 1990 stolzen Maschinenparks im ebenerdigen Shedbau. Dekorationsstoffe für Wandbespannungen veredelten Prunksäle und Salons - auch für Mitropa-Speisewagen der ersten Klasse kam man ins Geschäft.
Die Konkurenz blieb nie müßig, doch Paul Cammanns Firma blieb bis in den Zweiten Weltkrieg hinein für die gesamte Branche kulturell richtunggebend. Kriegsende, Reparationspflichten und alle Formen sukzessiver Enteignung erlebte Paul Cammann schon nicht mehr.
Significant aber bleibt die Geschichte der imposanten Immobilie im Chemnitztal seit der Wiedervereinigung 1990. Grundstück und Gebäude erwarb Investor Waldvogel, ließ die Nachwendefirma bis zur Beendigung eines Mietvertrages gewähren und regelte die besenreine Übergabe korrekt. Seither kennt die Firma Räumungsklagen im einstmals eigenen Cammann-Areal. Gern denkt man heute nicht an jene Verluste, die beim lieblosen Umgang mit den Musterkarten und Maschinen auftraten. Dagegen sollte das tüchtige, fachkompetente Bewahren in Zeiten der Verstaatlichung, dem Fortführen als sogenanntes Volkseigentum in der früheren Diktatur von Historikern gern auf die Waagschale gelegt werden...

1996 gründeten die Chemnitzer Karl-Heinz Otto und Elvi Adler eine "Cammann Gobelin Manufaktur" als GbR und betreiben die Weberei seit 1999 in Niederwiesa-Braunsdorf dank denkmalswerter Musterkarten und weniger Maschinen mit unternehmerischer Umsicht: "Uns geht es um die Erhaltung einer Tradition. Damit sind wir oft weniger gern gesehen als mit einem profitversprechenden Ansatz", hat Karl-Heinz Otto erleben müssen.
Die heutigen Kompagnons kannten als langjährige Messebauer den internationalen Wert der Cammann-Produkte auch aus Zeiten der Kommanditgesellschaft und wagten ("vielleicht etwas blauäugig", wie sie sagen) den Sprung in die textile Edel-Branche. Die Lieferadressen für die gewebten byzantinischen, barocken und Renaissance-Textilmeter liegen wieder ausschlaggebend im arabischen Raum und den Vereinigten Staaten.
Wer demnächst in der Berliner Staatsoper Platz nimmt und den Blick zum festlichen Proszeniumsvorhang genießt, hat echte Cammanns sowohl vor als auch unter sich. Restauratoren und Denkmalpfleger kommen schlecht ohne Cammanns Erzeugnisse aus! "Hochwertig, aber nicht hochpreisig," ruft uns die Geschäftsführerin listig hinterher.

Quelle: Stadtstreicher Chemnitz, Addi Jacobi

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