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Eberhardt Kormeier

 

Eberhardt Kormeier

Die Europäische Gemeinschaft hat viele Väter. Ob sich Eberhard Kormeier mit seinen der Jahrzehnten des Dienstes für die EG als solcher fühlt, habe ich ihn in der Brüsseler Zentrale an der Rue de lao Loi nicht direkt gefragt. Wahrscheinlich wohl hätte er das Elternwort auch zurückgewiesen. Doch abzusprechen wäre keinesfalls, dass er wie kein anderer Chemnitzer stetig an den Grundfesten dieser Union der Zukunft in Spitzenetagen kräftig mitgewirkt hat.
Heute gehört Eberhard Kormeier zum Kabinett Peter M. Schmidhuber (CSU), seine allererste Brüsseler Position hatte er frühzeitig im Kabinett von Präsident Hallstein eingenommen. Ein Chemnitzer! Geboren 1930 als Kind eines Druckereibesitzers, der sein Unternehmen 1945 in der Innenstadt unter Bomben verlor, am Kaiserplatz geboren und die Schulbänke der Sidoniern-, später Andréschule drückend, ging Eberhard Kormeier gleich nach dem Kriege mit einigen Freunden ins Ausland. Kanada, Frankreich, Luxemburg, Nordafrika hießen die Stationen.
Von 1954 ab lief seine Beamtenausbildung im Bonner Finanzministerium speziell im Zollbereich. Als Spezialist dafür ist er danach in Brüsel groß geworden.

Doch in den Brüsseler Kabinetten, erfahren wir aufgeräumt bei unserer Begegnung, ist man "vornehmlich Generalist, weniger Spezialist". Einer direkten Parteizugehörigkeit hat sich der Experte enthalten können. "Obwohl man normalerweise davon ausgehen kann, dass jedes Kommissionsmitglied die Mitarbeiter in seinem Kabinett aus seinem Vertrauenskreis, also Parteikreis, zu sich holt, war es bei mir so, dass ich als Parteineutraler bei allen Parteien, auch bei liberalen Parteien, tätig war. Das spielte bei mir keine Rolle. Natürlich können Sie davon ausgehen, dass ein deutsches Kommissionsmitglied keinen Kommunisten oder keine Rechtsextremen in sein Kabinett geholt hätte". Kormeier, der sich auf seine Weise mit allem Recht zu den EWG-Pionieren zählen darf, hat auch acht erfolgreiche Jahre als Parlamentsreferent bei EG-Vizepräsident Karl-Heinz Narjes (CDU) aufzuweisen, verbunden wie stets im Amt mit einer regen Reisetätigkeit in aller Welt, meist in Summe die Hälfte des Jahres. Im Kabinett Schmidhuber, dem Haushalt und Finanzkontrolle obliegen, ist es in dieser Hinsicht etwas ortsbeständiger geworden.
Bald nach der Wende ist er mit seiner Familie (es gibt einen dreizehnjährigen "Nachzügler") nach Chemnitz gekommen, auch nach Johanngeorgenstadt, der Heimat der Großeltern. Den Fichtelberg un den Auersberg habe man wieder begrüßt. Chemnitz hatte er nur als Trümmermeer in Erinnerung: "Die Innenstadt sieht ja auch relativ gut und großzügig aus, etwas ungewohnt für uns. Aber als wir dann in die Außenbezirke kamen, speziell nördlich, wo wir gewohnt hatten, war ich entsetzt. Alles verdreckt und verkommen, kaum ein Unterschied zur Nachkriegszeit".

Persönliche Erfahrungen hinter dem Eisernen Vorhang blieben dem Brüsseler aus Chemnitz nicht erspart: Sein Pass erlaubte ihm regelmäßige Reisen zur Mutter, die inzwischen in Leipzig wohnte. 1970 wollte sich die allgegenwärtige Stasi den hochrangigen EG-Beamten einverleiben, kassierte dreist die Legitimationen und benutzte ihr Repertoire weitgehend, dem Manne diskriminierende Unterschriften abzupressen. "Zwei Herren erwarteten mich, nahmen mir meinen Pass ab und haben mich vierzehn Tage lang bekniet, ich solle für sie arbeiten". Bei Kormeier hatten die MfS-Genossen kein Glück, mit einem Trick konnte er den Belagerungszustand beenden und wieder Land gewinnen. Ein Wiedersehen mit Leipzig und den Seinen musste er sich aber fortan versagen. Die Aufzählung könnte fortgesetzt werden. Belassen wir es bei dem traurigen Fakt, da er versuchte, seine Schwester die Teilnahme an der Trauerfeierlichkeit seines großen Sohnes, der tödlich verunglückt war, zu ermöglichen. Das wäre ja nur die Tante erfuhr die Bittende gleich barsch per Sprechanlage und ohne Einlass in die Brüsseler DDR-Botschaft. Da gäbe es keinen Grund, ein Visum zu ermöglichen. Wohlgemerkt: in den Jahren der gern postulierten Entspannungspolitik.

1994 will sich Eberhard Kormeier in Pension begeben. Dann kommt das Grundstück im Hohen Fenn, in der Eifel, dann kommen auch die Langlaufski noch ausgedehnter zur Geltung, die geliebte Gartenbuddelei. Auch nach Chemnitz wolle er wieder gern auf einen Sprung kommen, habe ja noch Cousin und Cousine hier. "Wenn man jetzt mit Ostdeutschen zusammengetroffen ist, habe ich immer und gern gefragt, ob ein Chemnitzer dabei ist. Als die ersten Praktikanten zu uns wollten, war es für mich eine gefühlsmäßige Ehrensache, verstärkt für solche aus den neuen Bundesländern und wenn es ging für Sachsen mit zu sorgen. Allerdings, in der Zeit vor der Wende habe ich mich nicht unbedingt als Chemnitzer gefühlt".

Die neue Dimension des europäischen Miteinanders ist Eberhard Kormeier ein wunderbarer Schritt am Ende seines Berufslebens. Der gemeinsame Binnenmarkt bringe nur Segnungen, keinerlei Gefährdungen mit sich, gibt es für ihn keinen Zweifel. "Wenn die Grenzen fallen, wenn man von Schottland bis Griechenland ohne Zollbehelligung fahren kann, wenn der Verkehr des Kapitals, der Dienstleistungen und der Waren frei wird, bringt das Erleichterungen. Nachteile sehe ich für den Binnenmarkt keine. Die weiteren Schritte für die Union sind auf Dauer eingeleitet, die Wirtschafts- und Währungsunion wird folgen mit dem Endgedanken der politischen Union".

 

Quelle: Stadtstreicher Chemnitz, Addi Jacobi