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Hans Hermsdorf

 

Hans Hermsdorf

Anfangs Bürgermeister in Chemnitz, dann 21 Jahre im Deutschen Bundestag
23. Dezember 1914 † 30. Dezember 2001

Das höchste Amt, das Hans Hermsdorf in Nachkriegschemnitz bekleidete, war das des Bürgermeisters. Da lagen zwei Gefängnisjahre hinter ihm (wegen Vorbereitung zum Hochverrat vom 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Dresden dazu verurteilt), die Wehrmachtszeit auch und die russische Kriegsgefangenschaft seit 1944. Natürlich auch die Lehrzeit und die vier Jahre an der Höheren Handeslehranstalt Chemnitz. Das dauerndste Amt, das Hans Hermsdorf durch ständige Wiederwahl erlangte, war das eines Bundestagsabgeordneten von 1953 bis 1974; seit 1971 zugleich als Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Finanzen, zuerst bei Karl Schiller und danach bei Helmut Schmidt.
Das letzte Amt bis zur Pensionierung 1982, in das Hans Hermsdorf gerufen wurde, war das des Präsidenten der Landeszentralbank in der Freien und Hansestadt Hamburg, das er seit 1971 ausübte. Warum hat der Name des seit 1928 der Sozialistischen Arbeiterjugend und seit Januar 1932 der SPD angehörenden Politikers in der oft so beflissenen Ortsgeschichtsschreibung keine Rolle gespielt? Der Bürgermeister von Oberlichtenau und, bis 1946, von Chemnitz, wusste viele Gründe, gegen die Zwangsvereinigung von SPD und KPD zur SED einzustehen. Das ließ die Westflucht am 31. März 1946 unerlässlich werden. August Friedel, damals 1. Bezirksvorsitzender der SPD im Bezirk Chemnitz, fand anderntags ein Schreiben vor, in dem der 32jährige gegenüber dem Senior gewichtige Vorhaltungen niederlegt, die Würde der SPD nicht durch den Zusammenschluss mit Kommunisten zu gefährden: "In jeder Zwangsvereinigung liegt bereits ein Kern des Zerfalls und so weiß ich, dass unsere tapferen Genossen die im Augenblick zwangsweise in die Einheit getrieben werden, morgen, wenn sie einmal wieder das Recht freier, demokratischer Entscheidung haben, sich sofort gegen den Terror der KPD auflehnen und wieder das Banner der Sozialdemokratie entfalten werden". So und daraufhin wurde Hans Hermsdorf in den hiesigen Schriften zur SBZ- und DDR-Geschichte allenfalls in der Kategorie "Einheitsgegner, Verräter an der Sache usf." summarisch erwähnt. Oder einfach totgeschwiegen.
Der Chemnitz vielfältig verbundene Mann (wie Friedel seit 1940 auch in Wohlrabes Jugendfilmverleih beschäftigt gewesen!) wechselte rasch nach Hannover, nachdem er die Unterschrift auf dem Vereinigungspapier verweigert hatte, wurde Zentralsekretär der Jungsozialisten der westlichen Besatzungszonen, persönlicher Referent des SPD-Vorsitzenden Erich Ollenhauer und ab 1961 Fraktionssprecher für Haushalt- und Finanzpolitik in Bonn. In Chemnitz war der Mechanikersohn übrigens bei seinen Großeltern aufgewachsen, Großvater war Schuhmacher, die Wohnung lag nahe der Hainstraße.
Das betagte Foto, das mir Hans Hermsdorf für diesen Platz jüngst aus Hamburg schickte, auch alle Worte am Telefon und sämtliche Dokumente zu einem beträchtlichen Leben, die indessen in der Stadt seines politischen Ausgangspunktes vorliegen, erscheinen sicher Vielen sehr wertvoll und signifikant. So ist auch ein Satz überliefert, der 1966 in Bremen aus dem Munde Hans Hermsdorfs in Sachen Schuld und Sühne kam: "Wir Jungsozialisten sind bereit, mit all denen zusammenzuarbeiten, die den eigenen Irrtum erkennen und die Konsequenzen daraus ziehen".

 

 Quelle: Stadtstreicher Chemnitz, Addi Jacobi