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Herbert Heymann


 

Herbert Heymann

Olympische Spiele 1936 in Berlin

Seinen Weg zum Straucheln und Fallen beim 10.000-Meter-Lauf im olympischen Berlin 1936 hat mir der Chemnitzer Athlet Herbert Heymann stets mit ganzem Feuereifer erzählt, voller Charisma und Beredtsamkeit. Voller Humor zugleich, denn die Zeit bis zum Anfang der 50er Jahre war dann verdammt schlimm und glücklich jeder, der überlebt hatte. 1952 muss das gewesen sein, denn da gab es erstmals seit 1936 wieder olympisches Feuer. Herbert Heymann hatte den Platz in der deutschen Olympiamannschaft 1936 strebsam erlaufen. Er gehörte dann mit anderen sächsischen Sportlern und auch den Chemnitzer Kameramännern Hans Helfritz und Kurt Ahnert im Drehstab Leni Riefenstahls zu den Aktiven der Kämpfe. Wenn er an die Stelle der Unterhaltung kam, die seine Disqualifizierung beschrieb, schmiss er sich selbst im weißen Fewa-Berufsmantel auf den Boden. Ein übereifrig hilfsbereiter Zuschauer kullerte dem Sportler vom Bahnrand eine Zitrone verlockend vor Augen, gewiss in freundlicher Absicht. Doch Herbert hätte wissen müssen, dass er sie weder berühren noch zum Munde führen oder gar hineinbeißen durfte. Im Augenblick des Geschehens biss er zu - ein Kampfrichter nahm ihn aus dem Rennen: Dooping anno dazumal. Die 36er Spiele waren Herbert Heymanns Olymp; doch es gibt ein Leben nach dem Zenit.
Ich lernte Herbert Heymann damals in der Waschmittelabteilung der Fettchemie - der Fewa - kennen, noch versierter dann bei den unvergessbaren Betriebssportfesten der BSG Chemie, als Leute wie "Vocke", Herbert Voigtländer, Achim Speck, Kaiser oder der allezeit elegante Wunderlich das Nachkriegsdasein genossen. Herberts Einsatz und Eskapaden für solche Massensporttreffs gelten mit Recht unter einheimischen Sportsleuten als legendär: Großsportfest auf dem Kappler Hang, aber Hallo!
Ich bat Herbert Heymanns Sohn Wolfgang kürzlich um genaue Lebensdaten. Leicht hastig, aber zuverlässig kamen sie, wie bei Heymanns so Brauch, pünktlich von der Weststraße ins Haus: "Es hat etwas länger gedauert, weil ich mich erst bei einigen Sportfreunden informiert habe." Danke, alter Freund!
Alsdann: Geboren am 8. März 1903. Nach seiner Lehrzeit arbeitete er in den Wandererwerken. Energisch fuhr der junge Kaufmann Herbert Heymann unzählbare Radrennen von 1925 bis 1935 für verschiedene Vereine, wurde Bergmeister. "Wie mir bekannt ist, war es Presto, Pfeil usw. Von 1939 bis 1945 war er im Krieg. 1946 kam er sehr krank aus russischer Gefangenschaft zurück. Am Anfang war er Transportarbeiter bei der Firma Ofen-Flägel. Später ging er in die Fewa-Werke und arbeitete als Sachbearbeiter in der Waschmittelabteilung. Als Masseur war er beim Fußballverein Nord, später Chemie, tätig. Es muss ungefähr ab 1950 gewesen sein."
An der Augsburger Straße erhielt er 1960 beim SC Motor sein Büro. Da fällt einem der Gründungsvorsitzende Heinz Gensel ein, der zuvor als Stadtsportchef im Rathausflügel Webergassenseite seinen Sitz hatte. Für den SC Motor massierte Herbert Heymann von Anfang an und dann zehn Jahre lang alle Boxer, wobei mir sofort die Kämpfe des Sepp Kazcerowski im Kultursaal vom "8. Mai" in den Sinn kommen. Doch nun wieder Text des "Juniors" zu Herbert Heymann: "Außerdem arbeitete er 17 Jahre lang ehrenamtlich als Vorsitzender der Rechtskommission im Fußball. Auch Fußballschiedsrichter war er viele Jahre, zuletzt Masseur bei der SG Germania, wo er auch die letzten Jahre halbtags arbeitete. Am 28. August 1978, ein halbes Jahr nach seinem 75. Geburtstag, verstarb er."
Den Berliner Olympia-Lauf, in dem Herbert Heymann startete, gewann ein anderer. Favorit brauchte Herbert Heymann bei diesem Rennen wohl nicht zu sein, aber mit realer Chance. "Das war sein Leben. Ein Leben für den Sport", schließt Sohn Wolfgang seine Zeilen. Wenn jetzt in Sydney die Olympischen Spiele beginnen, sehe ich bestimmt auch den Chemnitzer Athleten von 1936 irgendwie vor mir, wie jedesmal, wenn die Fanfaren zum olympischen Feuer rufen: Schneller-weiter-höher. Salut, herrlicher Meister!

 

 Quelle: Stadtstreicher Chemnitz, Addi Jacobi