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Joseph Wulf

 

Joseph Wulf

Joseph Wulf "Ich bin objektiv, aber nicht neutral" Der gute Hirt am guten Ort

Aller Zwist und Kummer um das deutsche Holocaust-Denkmal in Berlin erscheinen in einem Zwielicht, wenn man erfährt, daß es frühzeitig schon einen wahrhaft optimalen Vorschlag für eine solche produktive BRD-Gedenkstätte gegeben hatte, der aber an "gewissen Rechtslagen" scheiterte: Die Wannsee-Villa, in der die faschistische "Endlösung der Judenfrage" zum grausamen Vollstreckungsentschluß verabredet wurde, hätte ein guter Ort der Rituale, der Studien und des friedvollen Lebens ohne Rassen- oder Religionsschmach werden können. Solch ein Vorschlag existierte: Joseph Wulf, 1912 in Chemnitz geborener Sohn eines wohlhabenden Kaufmanns, hatte ihn schon vor den sechziger Jahren verfochten. In seinen Kinderjahren noch zog die jüdische Familie von der Uferstraße nach Krakau.
Als erster Erforscher der Dokumente zur Geschichte des Nationalsozialismus, dessen 18bändige Buchdokumentation über "Das III. Reich" als mustergültiges Werk der Geschichtsaufarbeitung gilt, vollzog im Gedenken an die Opfer auch als einziger Überlebender seiner Familie die Ehrenpflicht, Absurdität und Unmenschlichkeit dieser politischen Doktrin mit authentischen Mitteln auf spezielle Weise zu publizieren. Ab 1955 in Berlin forschend, erschien ihm, dem "Juden aus Galizien" bald die Villa der berüchtigten Wannsee-Konferenz als guter Ort des immerwährenden Mahnens und Wirkens.
Joseph Wulf überlebte die Gestapohaft in Krakau und erlebte das Kriegsende im Konzentrationslager Auschwitz. Er hatte seit 1941 einer jüdischen Widerstandsgruppe angehört, war aber im März 1943 der Gestapo ins Netz gegangen. Im Januar 1945 gelang es ihm, vom Todesmarsch der Evakuierung zu entfliehen. Auch Frau und Sohn hatten überlebt. Aber Vater, Mutter, Bruder, Schwägerin und Nichte waren ermordet.
1948 wurde Wulf für die polnische "Zentrale Jüdische Historische Kommission" nach Paris gerufen in die "Zentrale für die Geschichte der polnischen Juden". Ihm kommt das Verdienst zu, im Bunde mit Leon Poliakov als erster mit der Publikation der NS-Dokumente begonnen und auch eine Reihe von Fachhistorikern, die noch zögerlich waren, mit seinem Handeln auf dieses lange gemiedene Themenfeld gedrängt zu haben. Daß seine Sammlungen zu einzelnen Amtspersonen - das Globke-Buch Wulfs sollte verhindert werden, sein Buch "Geschichte und Organisation der SS" erschien allein in französischer Sprache in Paris - die Zahl direkter Freunde nicht immer vergrößerte, ist leicht vorstellbar. Doch Wulf wirkte ohne Selbstbeschränkung bis zu seinem Freitod. "Du kannst in Deutschland 18 Bücher über die NS geschrieben haben, und die Massenmörder gehen frei herum", seufzte der Emsige. "Er konnte nur über seine Arbeit reden," erinnert sich Simon Wiesenthal, "und es waren wenige, die ihm lange zuhören wollten." Wulfs Dokumentationen bewahrten wichtige Dokumente vor dem Verschwinden in Archiven. Er gestaltete einzigartige Bücher, die zu ersten dieser Art wurden - ergänzt von einer Reihe Einzelbänden, die 1939 mit dem in jiddischer Sprache verfassten "Kritischen Miniaturen" eingeleitet worden waren.
Spät erst kamen Wulfs Bände durch Rowohlt und Ullstein als Paperback heraus. In Henryk M. Broders Film war auch sein Credo zu hören: "Wir arbeiten nicht für den Lieben Gott oder für die Archive - wir abeiten für die Menschen."
Die Chemnitzer Öffentlichkeit an Joseph Wulf schon zum 50. Jahrestag der Pogromnacht erinnert zu haben, geht auf das Bemühen des seinerzeitigen Amtes für Gemeindedienst zurück, speziell auf Reinhard Kühn, der vor jetzt zehn Jahren im Zusammenhang mit der Ausstellung "Juden in Chemnitz" in der Kirche St. Johannis die fast verwehenden Spuren aufnahm. Dafür kann man nicht genug tun an Respekt, Dank und Weitergabe.

PS. zur Überschrift: Giesebrechtstraße 4, nahe Kurfürstendamm, beendete Joseph Wulff 62jährig am 11. Oktober 1974 sein Leben. Aufgewachsen war er auf der Uferstraße am Chemnitzer Ostplatz.

 

 

 Quelle: Stadtstreicher Chemnitz, Addi Jacobi

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