Jürgen Wohlrabe

Ein deutsches filmisch-politisches Spektrum

Im zeitigen Frühjahr hieß es in einer namhaften Sonntagszeitung: "Dr. Karl-Friedrich Wohlrabe, Geschäftsführer der Firma Jugendfilm-Verleih GmbH und langjähriger Vizepräsident des Deutschen Roten Kreuzes in Berlin 80 Jahre alt". So könnte er, schlossen wir, ein gebürtiger Chemnitzer sein. Denn einem Willy Wohlrabe sind wir schon lange voller Hochachtung auf der Spur. Jener nämlich wirkte sechs Jahre bis 1926 als Leiter des Chemnitzer Jugendamtes, was 1933 angesichts seiner SPD-Zugehörigkeit zur Entlassung führte. 1947 bis 1949 wurde er in der Ostzone Leiter des Zentralen Jugendamtes der Deutschen Verwaltung für Volksbildung. Im Zusammenhang mit Willy Wohlrabe ist seine hiesige Volksbühnenarbeit mit Oskar Geil und August Friedel erinnerlich, auch seine Tätigkeit im Volksbildungsausschuss nach 1919. Ist es der Vater des Jubilars? Alte Notizen bestätigten die Richtigkeit der Ahnung. In den Jahren der Hitlerdiktatur hielt sich Willy Wohlrabe mit seinen Kinderfilmprogrammen über Wasser, alte Kinoangestellte des Filmtheaters Roter Turm in der Herrenstraße erinnerten sich seiner Besuche noch lange.

Bald darauf sitzen wir im Berliner Büro des Jugendfilmverleihs dem Enkelsohn Willy Wohlrabes gegenüber. Jürgen Wohlrabe übergibt uns gern das Gründungsdokument seiner Firma vom 25. Juni 1934, mit dem Willy Wohlrabe, August Friedel und Max Büttner einen Gesellschaftervertrag in Chemnitz schlossen.

Inzwischen steht der Jugendfilmverleih, mittlerweile einer der führenden Deutschlands, kurz vor seinem 60jährigen Bestehen. Kein anderer Filmverleih hatte sich über alle Zeiten der Kinokrise hinweg behaupten können wie dieser in Berlin. Nach der Wende sorgte Jürgen Wohlrabe rasch für die Einrichtung eines eigenen Trickfilmateliers im Prenzlauer Berg, in dem emsig ein neuer Asterix-Film produziert wird. Asterix-Produktionen zählen seit langem zum großen Verleihangebot. Die politische Karriere Jürgen Wohlrabes hat viele markante Stationen. Im Frühjahr rückte er wieder in die Reihen der Mitglieder des Deutschen Bundestages auf, nachdem er diesem Hohen Hause schon einmal von 1969 bis 1979 angehörte. Kürzlich, bei der feierlichen Inbetriebnahme des Berliner Abgeordnetenhauses im Gebäude des ehemaligen preußischen Landtages, sah man ihn in der ersten Reihe, denn Jürgen Wohlrabe hatte, bis Januar 1991 Präsident des Abgeordnetenhauses von Berlin, maßgeblich für diesen Zweck Sorge getragen.

Seine wesentlichste Entscheidung traf Jürgen Wohlrabe gewiss mit dem Beitritt zur Jungen Union, war Kreisvorsitzender bis 1965 in Charlottenburg und damals auch als Wahlkampfleiter der CDU in Berlin aktiv. Noch aus diesen Jahren sind ihm zahlreiche namhafte Bundespolitiker von Klepsch bis Streibl gut vertraut, mit Rudolf Seiters oder Heinz Riesenhuber war er gemeinsam Beisitzer im Bundesvorstand der JU.

Wenn Jürgen Wohlrabe demnächst in Chemnitz zu Gast weilt, wird es viel zu besprechen geben aus den Lebensstationen seiner filmverbundenen und politischen Vorfahren und über seinen eigenen Weg, der aus sozialdemokratischen Wurzeln zu christlich-demokratischer Lebensauffassung führte.

 Quelle: Stadtstreicher Chemnitz, Addi Jacobi