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Kerstin Hensel

 

Kerstin Hensel

Untergang einer Orchidee oder Fluchtversuch der Hallimaschs im Schlauch

Seit Kerstin Hensel fortzog nach Berlin, hat ihre alte Heimatstadt mit ihrem Sonnenberg, dem Brühl und der Limbacher Straße, dem "Schlauch" und manch anderem Winkel häufig literarische Spiegelung erhalten. Ein Jahr vor dem DDR-Finale, zu dem das Volk jener Diktatur des Proletariats verhalf, wurde die in ihrer Geburtsstadt zur chirurgischen Krankenschwester ausgebildete
Hochempfindsame nach gewissem Studium am Leipziger Literaturinstitut freischaffende Schriftstellerin. Seither erfüllt sie zugleich ihren Lehrauftrag an der Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch".
PEN-Mitglied wurde sie 1991, Literaturpreise und Stipendien gab es seit 89 vielfach, und mehrfach kehrte sie auch zu Lesungen in die Stadt an der Chemnitz zurück, in den "Leimtopf" damals, in die "Galerie oben" oder in die Bibliothek am Südring. Jetzt steht sie wieder vor einer Buchpremiere. Zu Thomas Billhardts jüngstem Fotoband "Alles war so. Alles war anders." schrieb sie soeben fünf Texte, die es oft genug massiv in sich haben.
Schon der Buchtitel entspricht ihrem Format, findet sich ursprünglich in ihren Zeilen. Was sie dann in den Texten "Zonenzeit", "Traumzeit" , "Herrschaftszeit", "Wartezeit", "Endzeit" zwischen Phantasie und Authentizität äußert, sollte dringend zwischen Bodensee und Stettin, Maurach und Helgoland gekannt und bedacht werden, eingerechnet in die oft berechnenden Impulse der 50jährigen BRD-Gesellschaft, die Hensel gern "Großtäuschland" nennt, weil man frei nun (wie es bei ihr mal hieß) an den Wannsee oder sonstwohin fahren könne, ohne ihn wirklich zu erkennen. Für Chemnitzer mit Karl-Marx-Städter Jahren wächst Billhardts und Hensels Band ohnehin zu einem Arsenal der Entdeckungen. Mancher mag sich (vielleicht erschreckt?) wiedererkennen zwischen Schlachthof und Heckertwerk, Pfingsttreffen und Kampfappell. Zufall sicher, daß mit den Autoren Hiesige beim aufrechten Rückblick auf unsere DDR-Jahre trafen, gültig weithin, echt und - wenn man so will - "der Zukunft zugewandt". Da dürfte es lohnen, die in den nächsten Monaten von den großen Journalen und Magazinen, Sendern und Blättern zu erwartenden Rezensionen als Komplettsammlung der nächsten Auflage beizugeben, um die Sicht der flink beredten Beurteiler aller Farben als Ausdruck augenblicklicher Zeitzustände nicht zerflattern zu lassen, sondern als Summe erkennen zu können. Die Stadtbibliothek sollte alle diese Stimmen schon sofort tagfertig bündeln und auslegen! Kerstin Hensels Bände und viele der über 40 Bildbände Billhardts findet man ohnehin dort in den Regalen - sofern sie nicht alle ausgeliehen sind. "Stilleben mit Zukunft", "Tanz am Kanal", "Gewitterfront", "Schlaraffenzucht" und "Angestaut" habe ich eben nach erneuter Wochenendlektüre wieder zurückgebracht.
Inwieweit Kerstin Hensel inzwischen in der alten (und neuen) Hauptstadt tatsächlich "zu Hause" ist, läßt sich am besten mit ihr im nächsten Gespräch in Chemnitz erfahren. Etwa bei der Buchpremiere mit ihr und Thomas Billhardt im Buchhaus an der Brückenstraße, wenn "Alles war so. Alles war anders - Bilder aus der DDR" unter die Leute kommt. Gegen fade Nostalgie führen Kerstins Texte und Thommys Dokumente zwischen Machtprivilegien und fotografischem Eigensinn verbal weiter, weil es allezeit auch dieserorts Charakter, Stolz und durchaus Batterien der Kritikspielarten gegeben hat, "auch gute Tage", wie Billhardt sagt: "Alles war so. Alles war anders."

 

 Quelle: Stadtstreicher Chemnitz, Addi Jacobi

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