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Klaus Tennstedt

 

Klaus Tennstedt

"Ich möchte die Zeit in Chemnitz nicht missen."

Stabwechsel in der Robert-Schumann-Philharmonie von Generalmusikdirektor Oleg Caetani zu Niksa Bareza. Da liegt es nahe, an einen berühmten Vorgänger am Dirigentenpult des hiesigen Opernhauses zu erinnern, der von dieser Position zu anhaltendem Ruhm mit Spitzenorchestern der Welt aufstieg. Freilich, an GMD Rudolf Kempe und seine Chemnitzer Positionen haben wir hier schon vor Jahren erinnert, doch Klaus Tennstedt sei heute endlich in unserer Rubrik zur dankbaren Geltung gebracht. In der alten Opernhauskantine saßen wir jungen Kerle damals Woche für Woche in den Pausen Tisch an Tisch, Tennstedt nur unwesentlich älter als unsereiner. Der Zeit ab 1954 folgte über Dresden-Radebeul, Schwerin und das Felsensteinhaus an der Berliner Behrensstraße der Wechsel nach Kiel, dann aller Glanz in Hamburg, München, den USA und an den besten Pulten. Kurz vor Tennstedts Tod hatte Günter Pohlenz die Chance, im Mai 1996 den schwer erkrankten Tennstedt im Rundfunkinterview zu sprechen. Heute liegt uns der Text vor. So ist es eine Ehrenpflicht, die dabei unserer Stadt zugedachten Worte zu übermitteln, bevor ein "Chemnitzer Hörtheater" das komplette Feature wiedergeben kann.
Die besten Erinnerungen habe er an Chemnitz, dass 1954 schon Karl-Marx-Stadt geheißen habe. Als er als 1. Kapellmeister ankam, sei der GMD Martin Egelkraut schon sehr krank gewesen. "Und da musste ich in kürzester Zeit die 9. Sinfonie von Beethoven übernehmen, die Walküre, Eugen Onegin, den Rosenkavalier sogar. Ein Wahnsinn! Nie dirigiert! Aber ich bin gut durchgekommen und habe dann auch wunderbare Einstudierungen - immer auch aufgrund der Krankheit des GMD - bekommen. Ich habe einen ,Falstaff‘ gemacht, der über die Grenzen Furore gemacht hat; eine schwere Oper. Ich möchte die Zeit, um‘s kurz zu sagen, in Chemnitz nicht missen."
Tennstedt nutzte die Gelegenheit, 1971 nach einem Auslandsgastspiel mit der Schweriner Staatskapelle nicht zurückzukehren, weil ihn das System gehasst habe - "um es brutal zu sagen", wie er resümiert. Er habe sich gewehrt gegen den Druck, eine Blabla-Musik gewisser damaliger DDR-Komponisten aufzuführen. "Da haben sie mich fertig- gemacht, da blieb uns nur noch die Flucht." Nicht undifferenziert freilich. Siegfried Matthus nennt er einen hochbegabten und den Chemnitzer Friedrich Goldmann ebenso. "Aber die anderen? Damit konnte ich nichts anfangen. Aber das verlangten die von uns." Unter vierzig Bewerbern trat er in Kiel an, ("das war wieder Provinz"). Doch bald kam durch den Toronto-Philharmonie-Manager die Entdeckung Tennstedts. "Dieser amerikanische Kontinent wird zu einem Dorf, wenn einem ein Konzert gelingt, das Aufsehen erregt." Die fünf großen führenden Orchester griffen sofort zu: Boston Sinfonie, Cleveland, Philadelphia, New York und Chicago. "Damit war die Karriere gelaufen." Tennstedt wurde zum ersten deutschen Dirigenten, "der überhaupt in Israel dirigiert hat." Eine achtjährige Freundschaft entwickelte sich in gegenseitiger Hochachtung.
London folgte der amerikanischen Zeit, 15 Jahre lang als Chefdirigent von London Philharmonics - bis dann die Krankheit, gegen die noch kein Kraut gewachsen ist, der Krebs, sich tödlich ausbreitete. Das Andenken an die Biografie des überragenden Dirigenten Klaus Tennstedts sei angesichts seiner Chemnitzer Arbeit mit der heutigen Robert-Schumann-Philharmonie fortan mit Akzent bewahrt.

 

 Quelle: Stadtstreicher Chemnitz, Addi Jacobi