Bewertung: 5 / 5

Stern aktivStern aktivStern aktivStern aktivStern aktiv
 

Hans Vogel

 

Kommerzienrat Hans H. Vogel

Bis zur Enteignung im Gefolge des sächsischen Volksentscheids vom 30. Juni 1946 war Kommerzienrat Hans Vogel Inhaber einer respektablen Möbelstoffweberei und Papierfabrik in Chemnitz und Lunzenau - hervorgegangen aus einer der tüchtigsten Unternehmerfamilien Sachsens. Wer heute die Bahnhofstraße in Höhe der Textima-Halbruine an der Waisenstraße quert, befindet sich auf altem Vogelschem Fabrikgelände, das sich zwischen Ziegel- und Dresdner Straße erstreckte. Vor jetzt 150 Jahren hatte das exporttüchtrige Werk dort seinen Sitz erhalten, bald ergänzt durch die Anlagen an der Mulde. In Hans Vogel verschmolz der Arbeitgeberstatus mehrerer Generationen mit dem demokratischem Verständnis, ästhetischer Sensibilität und Sinn für soziale Schritte: Die künstlerische Entwurfsarbeit für Vogelsche Stoffe hatte auch zur später städtischen textilen Vorbildersammlung geführt, die Firma unterhielt eine "Kleinkinder-Bewahranstalt", Arbeiter-Doppelhäuser mit "gesunden Wohnungen". Einer seiner Onkel war bei Jahrhundertbeginn Präsident des Sächsischen Landtages.
Vogels zählten zu den ersten Chemnitzer Familien, bewohnten die Villa Kaßbergstrasse 5 bis 1928, um danach ins Grundstück Beckerstraße 32 umzuziehen.
Kommerzienrat Vogel hat seine Geburtsstadt, ja das Deutsche Reich jener Jahre, auch auf internationalem Parkett vertreten, gehörte bis 1933 dem Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes in Genf aufgrund einer einstimmigen Wahl der Arbeitgebergruppe als Mitglied an, war überhaupt seit 1922 der erste deutsche Arbeitgeber-Delegierte bei den Konferenzen der internationalen Arbeitsorganisation in Genf. Vogel erwarb erklärten Respekt auf dem Boden deutscher Sozialpolitik im Verständnis der von ihm repräsentierten Arbeitgeber, steckte Schelte anderer Couleur weg, wie man sie etwa in Kurt Tucholskys Aufsatz "Der Achtstundentag" (1924) findet. "Im Juni hat in Genf ein Internationaler Kongress für Arbeitsfragen stattgefunden" hieß es in Ossietzkys Weltbühne 31/24 von Ignatz Wrobel, "und es war alles da. Was auf diesem Gebiet gut und teuer ist". Das zielte auch auf Hans H. Vogel.
Als vor 25 Jahren in der BRD des hundertsten Geburtstages des Unternehmers öffentlich zu gedenken war, würdigte die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände eindrucksvoll die Verdienste des Chemnitzers, der in Genf bis in die Gegenwart hinein einen leitenden Platz gefunden habe: Danks seiner "menschlichen Eigenschaften und seiner Sachkunde als deutscher Unternehmer" habe er "bereits nach kurzer Zeit seines Wirkens Achtung, Vertrauen und bei vielen auch persönliche Freundschaft erworben". - Der Mann, der das Max-Klinger-Wandbild im Chemnitzer Stadtverordnetensaal "Arbeit Wohlstand Schönheit" inspirierte und finanzierte, war Hans Vogels Vater.

 

 Quelle: Stadtstreicher Chemnitz, Addi Jacobi