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Adolf Kuehnholz

Adolf Kühnholz

Dancing is cool. Das war schon früher so, als Swing in Mode kam, Jazzrhythmen elektrisierten und die Sounds der Bigbands die großen Säle beherrschten. Pionierzeit ist immer, ohn‘ Unterlass! Schon ein Menuett war einst progressiv...


Noch immer hat der Name Horst Fischer einen edlen Klang: Jener erzgebirgische Startrompeter aus Adelsberg (Fischer-Hackl) brachte es zu einer der frühesten Goldenen Schallplatten der Bundesrepublik. Die Erinnerung an die Kapelle Karl Walter liegt da in der Luft, beste Instrumentalisten der von Kurt Henkels geleiteten Bands gingen aus ihr hervor und also alle aus der Musikalität der Chemnitzer Region, Werner Tauber und andere.


Eine Zentralfigur dieser Musiker-Generation war Adolf Kühnholz, Sohn eines westfälischen Zugführers und einer Mutter gleicher Herkunft. Die Bombenangriffe auf Chemnitz machten um die Kühnholzsche Wohnung nahe der Schloßstraße keinen Bogen: Total ausgebombt schon am 29. Juli 1944, zog man mit ein paar geretteten Habseligkeiten zur Zschopauer Straße, um ein Dach über den Kopf zu bekommen. Doch bei Kühnholz schlug es noch einmal im Frühjahr 45 verheerend ein: "In einer einzigen Nacht wurde auch unser neues Zuhause wieder restlos von den Flammen der Bomben zerfressen," schreibt Günther A. Kühnholz, damals neunjährig. "Wir mußten gegenüber auf dem alten Friedhof, der ... unserem Haus gegenüber lag, das Inferno erleben." Unvergessbar auf Dauer die Hilfsbereitschaft des Musikerkollegen Hans Seibt, bei dem die Ausgebombten nochmals unterkamen in einem Hinterhaus am Brühl. Nr. 57, heute "entkernt" - auch leere Grundstücke haben ihre Geschichte.


Nach Kriegsende erschien es dem Chemnitzer Kapellenchef Adolf Kühnholz zweckmäßig, seine neue Unternehmung - eine Tanzmusik-Formation hoher Popularität und besten Formats - unter dem Namen Karl Walter zur Freude der Foxtrottfans ins Rennen zu schicken. Hungrig, gierig waren die Überlebenden der Kriegsjahre auf endlich gute Klänge, auf Frohsinn, auf Witz und Tanz. Das Tanzorchester Karl Walter etablierte sich im Gasthof Neustadt. Ein Riesenerfolg en suite. Erst als sich die Kapelle zu massiv der US-amerikanischen "Unkultur" namens Boogie Woogie widmete, dazu auch eindeutige Presse-Serien lanciert wurden, schien es "höchste Eisenbahn", der Heimat in Chemnitz "Ade" zu sagen. Fortan waren solche Chemnitzer Klänge über "RIAS Berlin - eine freie Stimme der freien Welt" zu hören, über den Südfunk Stuttgart, den Bayerischen Rundfunk: Qualitätsstufe Ultra (Jenseits), also Goldene Schallplatten und ähnliche Meriten. "Als die roten Zaren der DDR die Musik des Klassenfeinds nicht mehr dulden wollten, flüchtete ein großer Teil der Band 1954 nach Westdeutschland", hieß es bei Werner Taubers Tod unlängst in der "Süddeutschen Zeitung" (Wolfram Müller). 50 Jahre ist dieser fluchtartige Wechsel her. Adolf Kühnholz starb in Chemnitz, 44jährig, am 6. Oktober 1949: Von der Gründung der Bundesrepublik Deutschland hat er im September noch erfahren, die nachfolgende Gründung der DDR nicht mehr erlebt. Auch solche Begebenheiten vermitteln ganz beiläufig Geschichte. Hoffentlich.


Im Musikhaus "chARTs", Rosenhof, haben hiesige Tanzmusikfreunde Kühnholz‘ Star-Solisten wie HORST FISCHER, KLAUS WUNDERLICH, WERNER TAUBER Anfang der 90er Jahre gern gewürdigt - als "CHEMNITZER KÖPFE". Der spiritus rector dieser tollen Solistengeneration, Adolf Kühnholz, der im steuernden Hintergrund saß oder am Flügel hervortrat, blieb bis jetzt zu wenig direkt erwähnt. Endlich konnte sein bei München erfolgreich tätiger Junior (gleichfalls stark musikalisch engagiert, Foto mit Rudi Schuricke) angeregt werden, uns das letzte Portätfoto des Chemnitzers und wichtige familiäre Lebensdaten zu überlassen: Danke, Günther A. Kühnholz! - Zu den Meriten von Kühnholz sen. zählt auch das Erwirken eines Befehls der sowjetischen Stadtkommandantur in der Carolastraße (heute Medienhaus): "Das Offizierscasino 'Chemnitzer Hof' der Besatzungsmacht ist wieder für die deutsche Bevölkerung zu öffnen." Hier machte Kühnholz Musik!
Rückblende: An der Zwingerstraßenseite der Sparkasse Johannisplatz befand sich bis 1945 das vorzügliche Kaffeehaus EFREUNA; gleich um die Ecke betrieb die Firma TIETZ zuerst ihre Chemnitzer Filiale, bevor und bis der große Neubau Poststraße/Moritzstraße finanziert werden konnte.

Im EFREUNA war Kühnholz Konzertpodium: wohnhaft Theunertstraße 9, 2. Etage, Dienstadresse Zwingerstraße 6. Noble Innenarchitektur im art-déco-Stil machte EFREUNA behaglich, das Damencafe gleich eingangs im Parterre, per Freitreppe erreichbar darüber das große Cafe, das sich mehrgeschossig ausdehnte, geziert von einem hohen Wandmosaik hinter der Orchesterbühne. Dort saß Adolf Kühnholz am Flügel.
JENS KASSNER hat das Foto zuerst gezeigt in seinem Buche: Chemnitz in den "Goldenen Zwanzigern" - entleihbar in der STADTBIBLIOTHEK.