Johannes Walther
Ein Leben im Dienst der deutschen Textilindustrie
Nylon? Perlon? Dederon? Als das Wort "Störfreimachung" in Umlauf gebracht wurde wie heutzutage "Abwrackprämie" oder "Bankenkrise", war das der Versuch, dem DDR-Kürzel ein Suffix anzubammeln und ein Neuwort als Produktnamen zu adeln: DeDeRon. Für solche Entscheidungen wurden später Prozesse Ost contra West geführt, Warenzeichenurteile paraphiert, wodurch eben auch aus Agfa schnell Orwo wurde, die Carl-Zeiss-Produkte sich den Rang abliefen usw.
Dederon wurde zum Handelsnamen für Polyamidfaserstoffe, wofür in Karl-Marx-Stadt allein drei Kombinatsleitungen respektive VVB-Generaldirektionen saßen: Baumwolle, Technische Textilien, dazu Textima.
Mit seinem dicken Lehrbuch "Einführung in die Chemie und Textilchemie" hatte Oberingenieur Johannes Walther bereits 1939 als Gewerbe-Studienrat ein Fundamentalwerk vorgelegt. Damals schon lehrte er in Chemnitz als Dozent für Fasertechnologie und Appreturtechnik an den "Höheren Textilschulen". Da finden sich auch Belege für die Imprägnier-Haspelkule von C. G. Haubold oder den Simili-Kalander von C. H. Weissbach -
alles Made in Chemnitz!
Nach den Kriegsjahren widmete er sich sofort der ansässigen Textilveredlungsindustrie. Prof. Walther wurde im Januar 1952 Gründungsdirektor des "Forschungsinstituts für Textiltechnologie", das zuerst in einer Etage der Baumwollspinnerei Altchemnitz (heute Europark) begann und von dort aus die Neubauten an der Annaberger Straße vorantrieb. An neuen Faserarten und veränderten Eigenschaften bei natürlichen Fasern forschte er mit seinen Wissenschaftlern, sorgte für neue Spezialmaschinen, für Technologien mitsamt Prüf- und Kontrollverfahren, speziell eben für Synthesefasern im Gefüge der allseits experimentierenden Planwirtschaft: Die DDR dankte 1962 mit einem Ehrentitel "Verdienter Techniker des Volkes".
Mit Prof. August Schläfer trieb er die Etablierung der Hochschule für Maschinenbau voran, deren Senatsmitglied Walther wurde - nicht selten damals im Agricola-Klub des Kulturbundes (Haus der Technik, heute "Weltecho"). Ein Mann wie Johannes Walther repräsentierte im DDR-Forschungsrat die Polyarcrylniril-Spezialisten und ebenso im Moskauer RGW-Zentrum die Ostblock-Interessen. Zum 70. Geburtstag verlieh TH-Rektor Christian Weißmantel die Ehrendoktorwürde. Als "terminal 3" noch der Pablo-Neruda-Club war, traf man ihn oftmals dort seriös-gutgelaunt zum Mittagstisch und ebenso bei Fachgesprächen bis in die Abendstunden.
Aus dem Kreis seiner jungen Mitarbeiter hatte der Professor frühzeitig Hans Zeidler das Isotopenlabor seines FIFT-Instituts anvertraut. Jetzt meldete sich der Chemnitzer bei uns mit einigen Rudi-Seidel-Fotos, die 1960 mit ihm im Labor entstanden. Unsere Zeilen zu Rudi Seidel im Juli-Heft 2010 waren ihm dafür Impuls. Schöne Gelegenheit, nach nahezu 20 Jahren unserer Rubrikregelmäßigkeit solch hilfreichen Lesern herzlich zu danken.
Quelle: Stadtstreicher Chemnitz, Addi Jacobi