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Werner Oehme

Werner Oehme

Wenn frühe Jugenderlebnisse prägend sein können, so zähle mir das Aufsehen zu Werner Oehme aus nahezu kindlicher Sicht gern dazu. Umgeben von den Trümmerlandschaften in Chemnitz, erfreute sich manch 'total ausgebombter' ebenso an seinen Visionen des Wiederaufbaues der Heimatstadt. Oehme brachte fundierte Überlegungen ein, wie jetzt durch Karl Joachims Beuchels Band "Die Stadt mit dem Monument" quellenreich in Erinnerung gerufen wird. Die Bauleistung mehrer Generationen war in einer Bombennacht verloren, wie Mahnmales standen wenige unbeschädigte Bauten in den weithin kahlgebombten Innenstadtflächen.

1949 rückte die Wiedereröffnung des Opernhauses näher, der Mischbinder CH 5 für die Gewölbebauweise mangels Balkenholz und Dachsparren wurde ersonnen, berittene Ritscher-Polizei holte Theodor Körner an der Markuskirche vom Granit-Sockel: Der Krieg hat alles Elend über die Stadt gebracht, "Packt hart und unermüdlich zu!" hieß es beim Arbeitseinsatz. Da kam Werner Oehme, motivierte die Zuhörer und vergaß neben den ersten Schritten der Planwirtschaft (Zwei-Jahres-Plan ab 1948) auch die kleineren Erleichterungen für die Straßenbahnbenutzer im Stadtbild nicht: Die Porphyrwartehäuschen überall: Am Stalinplatz, am Markt, am Schillerplatz, am Falkeplatz. Unsereins brachte dies alles, was in den Ausstellungen "Chemnitz baut auf" oder "Chemnitzer Stadtpläne" gezeigt wurde, zu Werner Oehme in Beziehung. Seit Januar 1952 stieg er zum Dezernatsdirektor für Aufbau, Industrie und Verkehr der Stadtverwaltung auf. Am 27. April 1957 beantwortete Oehme bei mir im Funkstudio "Bürgerfragen an den Chefarchitekten".

Die längere DDR-Karriere erzielte freilich Georg Funk, Chemnitzer von Geburt, seit 1926 im Chemnitzer Bauamt tätig gewesen, dann in der Speer-Etage bei Hitlers Reichsbaumeisters beschäftigt, bald entnazifiziert und danach und dadurch in die Chemnitzer Stadtverwaltung gekommen (Stadtbaudirektor von 1945 - 1949) bis zu seiner weiteren Verwendung als ordentlicher Professor mit Lehrstuhl für Städtebau ab 1. Nov 49 an der TU Dresden.

Sollte das Straßennetz nahezu unverändert nach der Enttrümmerung beibehalten werden? Die reichen Tiefbautrassen der Wasser-, Elt- und Telefonversorgung sprachen dafür. Hatte es nicht schon beizeiten Planungen gegeben, die Langestraße bis zum Dresdner Platz hinauf durchgehend anzulegen? Das riesig gewachsene Verkehrsaufkommen schon in der Weimarer Republik und im wahrhaft unseligen 3. Reich sprachen dafür. "Bis alles in Scherben fällt," hatte die Naziwehrmacht gesungen - was im Höchstmaß eintraf.

Frühzeitig führte uns Werner Oehme durch Bauausstellungen mit leicht näselndem Ton, wie ich meine, doch mit infizierender Kraft und Sachkunde. In den "Sächsischen Heimatblättern" von 1958 findet sich ein Oehme-Artikel, der seinen Tonfall - so meine Erinnerung - , sachlich und unprätentiös, also fernab faden Parteijargons, trifft: Die Grünanlagen und Gärten nehmen im Städtebau an Bedeutung ständig zu. Sie sind das Mittel, um das 'Aspaltklima' der Großstädte zu beseitigen Wenn wir heute mehr denn je in der Geschichte des Städtebaus Bäume pflanzen, so zeigen wir damit unsere Verpflichtung zukünftigen Generationen gegenüber, die einst in den Genuss des Anblickes und des Schattens dieser Bäume kommen werden." So war er auch in den damaligen Regionalfunkstudios zu hören.

Sein Handwerk hatte der in Allenstein ausgebildete Architekt von der Pike auf gelernt, parteilos wollte er bleiben und hatte prompt das Heer von Blockfreunden und - wie es später vereinnahmend hieß - 'parteilosen Kommunisten' gegen sich. Doch so ohne weiteres warf Oehme nicht die Flinte ins Korn. Der Verkehrsplaner an seiner Seite, Baurat Dr. Schmidt (genauer Doktor Schmidt von Hohenstein, der Bruder von Fred Gigo, Chemnitzer Gymnasiast, Sportreporter und Conferencier, bürgerlich Hubert Schmidt-Gigo) büßte seine Berechnungen für die Umspurung der Karl-Marx-Städter Straßenbahn nach einer Prozessveranstaltung mehrjährig im "Justizvollzug"! Die Einschläge kamen näher! Beuchel lässt erkennen, dass Werner Oehmes Favoriten entsprachen alles andere als konfliktfrei den Doktrinen der Obrigkeit. Als das Fass der Verzweiflung überlief, entkam er den östlichen Bevormundungen und fand Brot und Obdach in der Stuttgarter Stadtverwaltung. Nach drei Jahren in dortigen Ämtern hat sein Talent auf dem westlich-freien Markt als Selbständiger verwirklicht. Dann verlieren sich die Spuren, die eingedenk seiner Chemnitzer Arbeit nicht in Vergessenheit geraten sollten. Im Sommer 1958 war hier des streitbaren Baurates Bleiben nicht, verließ die Familie Oehme die Wolkensteiner Straße 10. Was konnte er retten, mit ins Wirtschaftswunderland nehmen? Frau und Kinder? Melden sich jetzt Verwandte, Freunde, Kollegen? Bitte.


Der Bombenterror wurde strikt abgelöst von den Genieblitzen stalinscher Baurichtlinien, die willfährig von den Satelliten in die Landschaft gestellt wurden (was noch heute landesweit schwer zu Urbanisieren ist). Beuchels Buch dokumentiert das für Chemnitzer Segmente schonungslos im Umgang mit allen Beteiligten. (Nebenbei: Das Geschehen um die Entnazifizierung, extrem unterschiedlich diesseits und jenseits benutzt von den Alliierten, darf ebenso wenig unaufgearbeitet bleiben wie die heute gern verschwiegenen Praktiken der westlichen Embargo-Politik, schonender Industriedemontage, Blockade,
Marshallplan-Kalkül und der Hallstein-Doktrin, bis zum Travel Board Büro in den Westsektoren Berlins und dem Wechselkursgeschehen.)

Karl Joachim Beuchel (Jg. 1926, Vater Tischler, Mutter Näherin) ist mit Akribie den zentralistischen Dirigismen der Ostvariante zwischen 1945 und 1990 nachgegangen, die nur zu oft den regionalen Ambitionen namens eines imaginären "Auftraggebers Arbeiterklasse" entgegenstanden, brauchte er dazu doch zumeist eigene Intern-Erlebnisse mit dem heutigen Archiv-Studien in Beziehung zu setzen. "Die Stadt mit dem Monument" (Buchtitel, ISBN-10: 3-00-02404-0) umreißt die Thematik. So wissen wir nun durch ihn, dass bei Werner Oehme im Sommer 1958 das Maß voll war und er schon im September in der Stuttgart Bauverwaltung als Architekt in Lohn und Brot stand. "Auf Veranlassung der Parteileitung verfasste am 5. August 1958 das Aufgabengebiet Bauwesen beim Rat der Stadt Karl-Marx-Stadt eine Entschließung, in der die Republikflucht des Chefarchitekten Oehme aufs Schärfste verurteilt wurde," schreibt er. Borniert und teils in widersprüchlicher Einflussnahme hat er die Querelen in Erinnerung. "Mit seiner Auffassung, die Platzfolge der Straße der Nationen vom Hauptbahnhof und dem Marktplatz mit den Rathäusern wiederherzustellen, befand sich Werner Oehme in bester Gesellschaft mit den Mitgliedern des Rates der Stadt, die bereits in der Ratssitzung am 13. April 1955 die seit langer Zeit erhobene Forderung nochmals bekräftigten," geht aus den Archivalien hervor. Spannende Lektüre Seite für Seite. "Heute zählt die Planung für den Wiederaufbau des zerstörten Stadtzentrums im Zeitraum nach 1945 bis 1949 zu den mutigen Schöpfungen der bauwilligen Generation damaliger Zeit," heißt es bei Beuchel in Hinblick auf die Anstrengungen Georg Funks und durchaus auf die seines späteren Nachfolgers Werner Oehme.

Die Freude über das starke Buch zur Chemnitzer Baugeschichte zwischen 1945 und 1990 beruht nicht nur auf dem Plan- und Fototeil, den üppigen Quellenverweisen und der ebenso entschiedenen wie behutsamen Wortwahl. Da wird voller Bausachkunde und voller Erinnerung an die eigene Tuchfühlung mit den Leitungsetagen nur beschädigt, was beschädigt werden muss. Ein gewisser Rest eigener Autoren-Befangenheit erhöht die Authentizität des Bandes, mit dem Biografien wie die Werner Oehmes, jedoch auch Segmenten des eigenen Lebensweges für die Stadtgeschichtsschreibung verdichtet wird. Vater Beuchel war Tischler von Beruf, man wohnte im Hause Paul Geilsdorfs auf der Weststraße 105.

Beuchels Quellen verdankt die Rubrik "Chemnitzer Köpfe" auch endlich obiges Porträtfoto des Stadtbaudirektors Werner Oehme, ohne das diese Rubrik noch nie in Druck gegeben worden ist. Und im "Stadtstreicher" ist es heute immerhin die 178. Ausgabe!

Parteilos wollte er bleiben und hatte prompt das Heer von Blockfreunden und - wie es später vereinnahmend hieß - "parteilosen Kommunisten" gegen sich. Werner Oehmes Favoriten entsprachen alles andere als konfliktfrei den Doktrinen der Obrigkeit. Als das Fass der Verzweiflung überlief, entkam er im Sommer 1958 den östlichen Bevormundungen und fand Brot und Obdach in der Stuttgarter Stadtverwaltung. Nach drei Jahren in dortigen Ämtern hat er sein Talent auf dem westlich-freien Markt als Selbständiger verwirklicht. Dann verlieren sich die Spuren, die eingedenk seiner Chemnitzer Arbeit nicht in Vergessenheit geraten sollten. Was konnte er retten, mit ins Wirtschaftswunderland nehmen? Frau und Kinder? Melden sich jetzt Verwandte, Freunde, Kollegen? Bitte.

Der Autor Karl Joachim Beuchel ist mit Akribie den zentralistischen Dirigismen zwischen 1945 und 1990 nachgegangen, die nur zu oft den regionalen Ambitionen namens eines imaginären "Auftraggebers Arbeiterklasse" entgegenstanden. "Die Stadt mit dem Monument" umreißt die Thematik. "Auf Veranlassung der Parteileitung verfasste am 5. August 1958 das Aufgabengebiet Bauwesen beim Rat der Stadt Karl-Marx-Stadt eine Entschließung, in der die Republikflucht des Chefarchitekten Oehme aufs schärfste verur-teilt wurde," schreibt er. Borniert und teils in widersprüchlicher Einflussnahme hat er die Querelen in Erinnerung. "Mit seiner Auffassung, die Platzfolge der Straße der Nationen vom Hauptbahnhof bis zum Marktplatz mit den Rathäusern wiederherzustellen, befand sich Werner Oehme in bester Gesellschaft mit den Mitgliedern des Rates der Stadt, die bereits in der Ratssitzung am 13. April 1955 die seit langer Zeit erhobene Forderung nochmals bekräftigten," geht aus den Archivalien hervor. Spannende Lektüre Seite für Seite. "Heute zählt die Planung für den Wiederaufbau des zerstörten Stadtzentrums im Zeitraum nach 1945 bis 1949 zu den mutigen Schöpfungen der bauwilligen Generation damaliger Zeit," heißt es bei Beuchel in Hinblick auf die Anstrengungen Georg Funks und durchaus auf die seines späteren Nachfolgers Werner Oehme.

Beuchels Quellen verdankt die Rubrik "Chemnitzer Köpfe" auch endlich obiges Porträtfoto des Stadtbaudirektors Werner Oehme, ohne das diese Rubrik noch nie in Druck gegeben worden ist. Und im "Stadtstreicher" ist es heute immerhin die 178. Ausgabe!

 

Quelle: Stadtstreicher Chemnitz, Addi Jacobi

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