Michael Degen
Sohn der Stadt an Elbe, Isar und Donau
Das Jahr war zu kurz, all den globusweit verstreuten Ex-Chemnitzern an diesem Platz ein Wort zu widmen. Wer auf dem Airpot Melbourne ankommt, trifft in der Schar der freundlichen Landehilfen seit Jahrzehnten einen Chemnitzer. In Südafrika, nahe Johannesburg, stammt man aus Chemnitz, in Atlanta, Tel Aviv und nahe Dallas leben als hochangesehene Leute gebürtige Chemnitzer, die aus welchen Gründen auch immer in die Welt zogen. Grüßt Euch, kommt mal wieder heim! Dank Stadtstreicher-Lesern, die unserer Rubrik gern weiterhelfen, bleibt es leicht, allein unter den Lebenden exqisite Elite mit Stadtbezug zu wissen. In Fülle. Dank für jeden Tip seither, bitte weitermachen, Chemnitz braucht wahrlich jeden Kopf. Das Jahr war auch zu kurz, den Pulk namhafter Kinokünstler mit Stadtbezug im Jubiläumsjahr des Films dergestalt Ehre zu erweisen. Die Einladung an Elsa Gruber-Deister, aufgewachsen nahe dem Pfortensteg ist zu feiern, das Wiedersehen mit Günter Naumann, der einst Theatertischler im Opernhaus war, in die Wege zu leiten. Wenn Hotte Krause für ARD den Schalk-Goloddingsda gibt, (Dicke Freunde) wenn Ullrich Mühe mit allererster Regiegarnitur agiert, wenn Schmidt-Schaller, wenn die Harfouch, der Gudzuhn oder Sodann auf besten TV-Kanälen zu tollsten Zeiten agieren - immer schwingt ein Stückchen Chemnitzer Talaue mit, wenn ihr Talent zur Geltung kommt. Dann müßte ein Signet ins Bild blinken: "This is made in Chemnitz!"
Um all solcher Schuld neuer Unterlassung entgegenzutreten, sei dafür heute in dieser 41. Folge der Rubrik ein erster Schritt getan: Salut für Michael Degen, geboren 1932 just in Chemnitz.
Anfang des Jahres stand Eugén Scribes "Ein Glas Wasser" en suite für 110 Vorstellungen auf der Bühne der Komödie Kurfürstendamm. Michael Degen, den Bert Brecht als ersten Chemnitzer in sein Berliner Ensemble holte und der seither eine höchst gediegene Karriere für das Theater-, Film- und TV-Publikum gestaltete, zog dort als Henry St. John wie gewohnt die elegantesten Register seiner Profession: Hinreißend. Naja, an der Seite Johanna von Koczians darf nur solch ein phantastischer Schauspieler erster Wahl stehen. Wer die Inszenierung mit Defa-gestählten Augen sah, freute sich über die Präsenz bewährter Babelsberger in diesem Hause: Christiane Dorst (Kostüme), Bernd Wefelmeyer (Musik), diese Namen kennt man aus vielen guten Defa-Vorspannen. Horst Bonnet (Inszenierung - da denkt man sofort an "Orpheus in der Unterwelt") aus den DEFA-Ateliers.
Wenn es unerschwinglich sein sollte, Michael Degen in eine Chemnitzer Theaterinszenierung als Gast zu verpflichten, sollten Programmkinoveranstalter und erst recht Kommunale Kinoplaner eine Michael-Degen-Retrospektive mit allererster Sahne einfädeln! Leicht getan, denn Degen drehte bei Chabrol (Wahlverwandtschaften, Dr. M), Zadek (Ghetto), bei Orlando Lübbert, Peter Beauvais oder Egon Monk (Geschwister Oppermann). Laßt uns mit "Beyond Good and Evil" von Liliana Cavani beginnen. Wir haben so viel nachzuholen, nachzuspielen, auszukosten, auszudenken.
Michael Degen war 17, als er seine Schauspielerausbildung im Nachkriegsberlin an der Schauspielschule des Deutschen Theaters in der Reinhardtstraße begann. Der Berliner Zeit bei Brecht folgten Jahre in Köln, Hamburg, Frankfurt, der bayerischen Landeshauptstadt, West-Berlin, dann rief das Burgtheater im schönen Wien. Ein Chemnitzer an der Donau! Der Tasso und Tartuffe fand die geistige Wellenlänge zu Ingmar Bergman und machte ihm den Don Juan, zuerst bei den Salzburger Festspielen vor zwölf Jahren und danach in Bergmans Fernsehinszenierung. Michael Degens Heimkehr in die Geburtsstadt wäre ein Glücksfall für "Begegnungen" - möglichst schon 1996, oder später mit Tschechows Bär/Heiratsantrag, denn diese Inszenierung startet - Kunst zielt gern auf lange Sicht - am 14. März 1997 in der Hauptstadt.
Ein einziges Mal hat Degen mit seiner Mutter (Vater war es nicht vergönnt, das Nazi-KZ Sachsenhausen zu überleben) den Chemnitzer Kaßberg zu besuchen, in erster Nachkriegszeit. Auch an das Annaberger Theaterhaus, so erzählt uns Michael Degen warmherzig auf Anhieb am Telefon, habe er direkte Erinnerungen. Das sei bald 50 Jahre her. Inzwischen ist Degens Tochter Elisabeth wieder mit eigener Theaterkarriere herangewachsen, längst mehr als flügge - aber zu einem neuen Stadtbesuch in der Elternheimat, oder gar einen Bühnentermin sei es nie mehr gekommen... Unser Porträtfoto Michael Degens wäre gern ergänzt worden durch ein Szenenfoto mit Angelika Winkler in der aktuellen BE-"Moonlight"Inszenierung Peter Zadeks. Wenn die BE-Presseabteilung bis Redaktionsschluß liefert, wird es nicht fehlen.
Quelle: Stadtstreicher Chemnitz, Addi Jacobi