Walter Janka
Schriftsetzer, Verleger, Strafgefangener 3/58
"Walter liegt jetzt viel", hatte Charlotte Janka im Winter uns wissen lassen. Der telefonisch erbetene Termin war vorerst, und nun endgültig, nicht mehr zustande gekommen. "Sie hatten doch damals auch den Abend im Neruda-Club organisiert, nicht wahr?" Sie meinte die Begegnung am 22. Mai 1987, als der Spanienkämpfer Walter Janka über jenen Teil seiner Fronterlebnisse ehemals in seiner Geburtsstadt sprach, über die Jahre der Emigration in Mexiko, den Weg dahin und manche Weggefährten, gern auch über den emsigen Exil-Verlag "El Libro Libre", in dem der Chemnitzer Schriftsetzer nun als Verleger neue deutsche Exilliteratur herausbrachte - "Das Siebte Kreuz" der Seghers, Bücher von Heinrich Mann und Egon Erwin Kisch, dreißig Titel bis Kriegsende und unter aufregendsten Bedingungen.
Auch über Neruda und den Heinrich-Heine-Klub haben wir gesprochen, vielleicht noch über seine erste DEFA-Zeit und die Arbeit an der Spitze des jungen Aufbau-Verlages, des größten belletristischen DDR-Verlages. Doch dann wechselte das Thema wieder zu Spanien, und unberührt blieben all die folgenden "Schwierigkeiten mit der Wahrheit."
Janka verließ erst mit dem letzten deutschen Emigranten Mexiko und erreichte Berlin über Murmansk und Moskau. Die erste DEFA-Zeit Jankas - zunächst war er ein ZK-Mitarbeiter und wurde nach einem Jahr als DEFA-Generaldirektor eingesetzt - endete mit einer Affäre. Dann war er Verwaltungsleiter im Aufbau-Verlag, leistete danach als Direktor unbestreitbares für die Literaturverbreitung, bis die Parteispitze den Janka-Prozess inszenierte. Selbst die Amnestiebedingungen zum 10. DDR-Geburtstag hätten auf ihn voll zugetroffen, doch blieb Jankas miese Zelle im "Gelben Elend" verschlossen. Erst als die PEN-Zusammenarbeit West-Ost (da saßen sich Männer wie Hermlin und Walser gegenüber) zu bersten drohte, wenn Janka nicht Gerechtigkeit widerführe, der Protest Kreise zog, entschloss sich der Generalsekretär Weihnachten 1960 zur Gnade. Die zweite DEFA-Zeit, später - zehn Jahre als Spielfilmdramaturg - brachte dann zwar Jankas Anteil an Filmen wie "Goya!, "Die Toten bleiben jung" und "Lotte in Weimar" und der (Chemnitzer) Joachim Mückenberger, bis zum 11. Plenum selbst DEFA-Chef, berichtete uns im Herbst 1989, wie bewusst man Walter Janka dort und dann aufgenommen habe. Doch die ganze Wahrheit ist, dass Leute wie Martha Feuchtwanger oder Katia Mann die Vergabe von Verfilmungsrechten an die DEFA davon abhängig gemacht hatten, Walter Janka persönlich an diesen Arbeiten beteiligt zu wissen.
Wer je damit fertig zu werden hatte, von "Staatsorganen" nahegelegt zu bekommen, sich von Familienangehörigen loszusagen, wird die Quälerei noch mehr verstehen, die Walter Jankas Vater Adalbert im Rathaus oder in einem Stadtbezirk angetan wurde. Während der Bautzener Haftjahre des Veruteilten drängten die Funktionäre den Vater, sich von dem "Verbrecher" loszusagen, die schmale Rente stehe auf dem Spiel, die Naubauwohnung in der Ernst-Thälmann-Straße 38/42. Der Mutter wegen mag Adalbert schließlich unterschrieben haben, doch ob er ihr es je hat sagen können, ist nicht überliefert. Leichten Herzens keinesfalls.
Der seltene Fall, dass ein gebürtiger Chemnitzer von Rang einen ebensolchen zu schwerer Zeit literarisiert in einem Werk entspricht, ihn dort in einer Zeit der Heldeninflation auf ganz andere Weise Held nennt und mit dem Roman und seiner Verfilmung deutsche Geschichte voranbringt, ist Walter Janka lange Zeit vor seiner endlichen Rehabilitation widerfahren. Wer Stefan Heyms "Collin" kennenlernt, wird in der Gestalt Georg Havelkas Janka erkennen. Dass Heyms Frau Inge und Walter Janka in der DEFA-Dramaturgie zeitgleich arbeiteten, wird dafür wohl nur ein Grund unter vielen sein. Die Nähe ist die Stärke.
Quelle: Stadtstreicher Chemnitz, Addi Jacobi