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Beate Ritter

Beate Ritter

"Kunst ist das eigentlich Bleibende einer Zivilisation" 

Schlusssatz beim Festakt für Karl Schmidt-Rottluff im Kleinen Saal der Stadthalle im Oktober 2005, einhundert Jahre nach seinem Abitur im Gymnasium Hohe Straße, das nun seinen Namen trägt. Als Kustodin der Kunstsammlungen Chemnitz, selbst Abiturientin des Jahres 1972, obliegt Beate Ritter auch die Obhut für die mehr als 350 Arbeiten Schmidt-Rottluffs, die heute zum Besitz der Chemnitzer Kunstsammlungen zählen: Karl Schmidt, der den Namen seines Geburtsortes Rottluff, einem Chemnitzer Ortsteil, eindrucksvoll in die internationalen Kunstlexika gebracht hat. Sie hütet mit aller Hingabe die weltweit zweitgrößte Schmidt-Rottluff-Sammlung eines international gefragten Lebenswerkes.
"Unveräußerlich" - weist Beate Ritter mit aller Entschiedenheit alle Befürchtungen zurück, solche Sammlungsschätze könnten irgendwann auf dem allgemeinen Marktparkett landen, wenn zur Entschuldung der Haushalte ganze Wohnsiedlungen verkauft werden. "Da gilt heute in Deutschland ein ehernes Gesetz."
Was Hitlers Nationalsozialisten ein Dorn im Auge wurde und als " Entartete Kunst" auf tausend Jahre verteufelt werden sollte, zählt längst zum Stolz aller deutschen Sammlungen wie alle expressionistischen "Brücke"-Schätze. Erbepflege.
Den Weg zu den Chemnitzer Schätzen und der Kunstwelt schlechthin, auch die ersten Besuche in den heute ihr nah vertrauten Sälen und Depots am Theaterplatz, dankt sie jenem Lehrer Richter, der in Oberschulzeiten als "Kitscher" zum Zentralgestirn hiesiger Museenaspiranten wurde: Martin Richter, der Pädagoge. Beate Ritters weitläufiger Vorgänger im Amt, Karl Brix, das sei nicht vergessen, hatte vor Jahrzehnten mit Chemnitzer Beflissenen für die Ehrenbürgerschaft Schmidt-Rottluffs gesorgt und selbst in Frontstadtjahren durch Besuche und Korrespondenz den dringenden Respekt gepflegt.
"Die ersten zwanzig Jahre im Berufsleben waren für die Forschungen eine verlorene Zeit", überblickt Beate Ritter die Chancen unter dem Banner der Arbeiter- und Bauernmacht. Die Abiturientin aus Erfenschlag studierte Museologie in Leipzig, erprobte Nischen in Sichtnähe zu den Karl-Marx-Städter Kunstsammlungen in der "Galerie am Brühl", ging für ein paar Jahre in das hiesige "Büro architekturbezogene Kunst" und hatte endlich die Chance, in den Nachwendemonaten im "ersten Haus am Platze" wirksam zu werden. Zum großen Umbau zählte zuerst die turbulente Direktorin Dr. Susanna Anna. "Bei ihr haben wir fundamental alles gelernt: Wie man Geld beschafft, Kataloge macht, Kontakte pflegt, Planungen baut, Freundeskreise als Förderer, Mäzene, Sponsoren. 1996 hatten wir es intus, das Haus war dank erster Umbauarbeiten seit 1990 gesichert! Das war auch die Zeit der ersten großen Editionen, von denen ihr der 1993 vollendete "Bestandskatalog I der Sammlung Malerei und Plastik mit den Arbeiten Karl Schmidt-Rottluffs" fundamental erscheint und teuer ist. "Das gab es erstmalig hier, gefördert, mithin finanziert durch den Bundesminister des Inneren, also Rudolf Seiters." So wurden Defizite aufgearbeitet.
Heute ist eine stattliche Reihe begehrter Chemnitzer Ausstellungskataloge auch mit ihrem Namen verbunden: "Edvard Munch in Chemnitz", "Richard Scheibe" als ein Bestseller, übertroffen noch von "Picasso et les femmes". "Da gleichen wir einem Klub der Verrückten". Wir - das sind heute wohl rund um Ingrid Mössinger auch Kerstin Drechsel, Brigitta Milde, Katharina Metz, Spezialistinnen, Kolleginnen, die es allesamt noch zu Doctorinnen honoris causa bringen dürften, sofern sie sich nicht endlich entschlössen, sich ordentliche Dissertation attestieren zu lassen. (Das hat natürlich nicht Frau Ritter geäußert; das meinen aber Freunde der Kunstsammlungen gemeinhin mit Nachdruck.)
Kurierfahrten zur Begleitung hochwertigen Sammlungsgutes zu den willkommenen Leihnehmern zählen zu den Dienst-Pflichten, die stets zu neuen Kontakten und Impulsen, wohl auch zu hilfreichen Einsichten führen. Und der nächste Gipfel Chemnitzer Provenienz ist im Köcher: Ernst Ludwig Kirchner, ein Drei-Monate-Extra ab Mai 2007 für den Abiturienten des Chemnitzer Realgymnasiums. Die Ausstellung werde, so Beate Ritter vielsagend, den historischen Bezug zu Chemnitz hinterfragen und aufarbeiten und weitere auch aus Chemnitzer Privatbesitz stammende Werke zusammentragen (Kirchners "Bergbauern" haben im Berliner Neubau des Bundeskanzleramtes an der Stirnseite des Kabinettsaales ihren hochachtbaren Platz).
Der eingangs zitierte Ritter-Satz hatte in Vollständigkeit seines Wortlauts eine gar noch größere Dimension. Angesichts des starken Jahrhunderts- und Ortsbezuges bei der Entscheidung für den heutigen Namen des alten Kaßberg-Gymnasiums hieß es: "Die Entscheidung, einen Künstler als Namenspatron zu wählen, war die einzig richtige, denn Kunst ist das eigentlich Bleibende einer Zivilisation."

 

Quelle: Stadtstreicher Chemnitz, Addi Jacobi

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