Dr. Jürgen Leibfried
In memoriam Erna Leibfried-Kügelgen (1884 bis 1956).
Als 1991 der Falkeplatz nicht mehr nach dem Gewerkschaftsbeamten Fritz Heckert, sondern wieder nach einem tüchtigen Wohltäter (geboren 1843, verstorben in Singapur 1907, der Stadt 1,5 Mio Goldmark stiftend: Karl Bruno Falke) benannt sein konnte, fasste Dr. Jürgen Leibfried an dem alten Areal Fuß: Das Falke-Forum entstand als Eckbebauung. Und weiter oben am Berge, Hohe Straße 6, eine Seniorenresidenz. "Mit dem Bau des Moritzhofes hat es noch zuvor begonnen", sagt uns der Vorstandsvorsitzende der Bauwert AG Berlin-München. Danach aber habe man in Chemnitz nichts mehr unternommen. Der Investor hörte damals nicht zum ersten Male davon, dass die Namensvorfahrin Erna Leibfried-Kügelgen ein Buch mit starkem Chemnitz-Bezug, gleichsam einen Memoirenband, hinterlassen hat: "Deutsche Mutter in Sibirien". Zum Richtfest des Falke-Forums kam auch der Familienstammbaum der Leibfrieds dank des Nachfahrens in unsere Hände. Die alte Grabstätte in Einsiedel und die Lebensdaten der lückenlos verzeichneten Leibfried-Generationen wurden endlich verbürgt ersichtlich.
Erna Leibfried von Kügelgen wohnte in den 20er Jahren an der Inneren Klosterstraße. Kurz nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges war sie im Januar 1915 mit drei kleinen Töchtern aus St. Petersburg - die von Kügelgens waren dort hochangesehene Bürgersleute, Zeitungsgründer deutscher Zunge - straks nach Baschkirien, gen Itkulowo evakuiert und nach den russischen Revolutionen alles andere als bevorzugt behandelt worden: Vier Jahre Sibirien! "Interniert Orenburg" heißt es in den Unterlagen, die letztlich auf die Begräbnisstätte in Chemnitz-Einsiedel verweisen. Nach der Heimkehr in die Heilbronner Gegend fand der Familienvater in der Textilbranche keine Anstellung, vielmehr aber doch bald im Erzgebirge, und die Familie ließ sich in Chemnitz nieder. "Deutsche Mutter in Sibirien" erzählt schlicht diesen Weg zur neuen Heimat in Chemnitz. "Nach anderthalb Jahren der Trennung kann uns mein Mann wieder zu sich rufen. Im reizvollen sächsischen Erzgebirge findet er ein Arbeitsfeld und wir das langentbehrte Heim." Beachtliche Parallelen zur Gegenwart liegen auf der Hand.
Erna von Kügelgen hatte am 2. Juni 1909, ihrem 25. Geburtstag, an der Newa Paul Robert Leibfried geheiratet. Ihr Vater, Paul von Kügelgen, wurde als Re-dakteur und Besitzer der deutschen "St. Petersburger Zeitung" berühmt, wie die Kügelgens überhaupt in der deutschen Kulturgeschichte eine bemerkenswerte Rolle spielten und behalten sollten. Tochter Gisela kam am 24.11.1921 in Einsiedel zur Welt; Brüderchen Sonnhart, drei Jahre jünger als Gisela, ist im März 1942 "gefallen" - wie das Wort für den Front-Tod im Kriegsdienst milderte.
Aus solcher Familie also der Bauherr Dr. Jürgen Leibfried, der mit der DG Bauwert das Chemnitzer Falkeforum in die Welt setzte, lange bevor sich die Kräne in Rathausnähe zu drehen begannen. Richtfest im November 1994, bezugsfertig im Mai 1995. 966 Anleger der Fondsgesellschaft ließen dafür 97 Millionen DM anhäufen - inklusive für ein Vorhaben in Essen. Im Herbst, zum Tag der deutschen Einheit, wird Bauwertvorstand Dr. Jürgen Leibfried in Chemnitz erwartet - zugleich in Erinnerung an Erna Leibfried, jene "Deutsche Mutter in Sibirien" mit Chemnitz-Bezug.
Quelle: Stadtstreicher Chemnitz, Addi Jacobi