Dietrich Mendt
...weil nur der Träumende wirklich wach
"Mach dich auf, werde Licht" - in diesen Adventswochen wird "Das große Radius-Weihnachtsbuch" noch häufiger zur Hand genommen, oder neu angeschafft für eben noch 49.80 Mark, kommendes Jahr 25 Euro. Der 1994 in Stuttgart erschienene 572-Seiten-Band stammt aus der Feder Dietrich Mendts und damit aus dem Schoß einer namhaften Chemnitzer Familie: Prof. Dr. Arthur Mendt lehrte seit 1913 mehr als dreißig Jahre an der Chemnitzer Akademie (Deutsche Sprache, Literaturgeschichte, Kulturgeschichte, Neuere Sprachen) und erfuhr von seiner rigiden Entlassung just an jedem Tage, da sein Sohn Dietrich aus russischer Kriegsgefangenschaft heimkam. Dietrich Mendt, Mendt jun., gilt als einer der Repräsentanten der evangelischen Kirche in den DDR-Jahrzehnten. 1954 Ordination, 1955 Studieninspektor am Predigerseminar der Sächsischen Landeskirche in Lückendorf, 1958 Studentenpfarrer in Leipzig, anschließend ab 1963 Gemeindepfarrer in Chemnitz, 1973 Oberkirchenrat, 1978 Oberlandeskirchenrat, 1983 Superintendent in Zittau, 1991 Ruhestand - so sind die Arbeitsstationen des soeben 75jährigen zu verzeichnen. Doch höchst unvollständig! Diet-rich Mendts literarische Publikationen begannen in den 60er Jahren: "Abgekanzelt" (Satiren und Humoresken), "Die Leviten gelesen" (Satiren und Humoresken) heißen seine Bändchen.
1968 folgt ein Roman: "Aller guten Dinge sind vier". Wer sich die gu-ten Dienste der Chemnitzer Stadtbibliothek zu-nutze macht, kann sich noch ganz andere literarische Register Mendtscher Fähigkeiten im Oratorien- und Liedschaffen zu Gemüte ziehen: 1972 gab es die Kinderoper "Joa mit der Zauberkugel" und bereits 1969 das "Oratorium Do down, Mose. Vom Leben und Sterben Martin Luther Kings", beide zu Musik geworden durch D. Noll. "Biblische Sing- und Spielstücke" erschienen vor 30 Jahren in Zusammenarbeit mit H. Gadsch.
Den Großteil seiner fundamentalen Lebenserfahrungen mag Dietrich Mendt bei der Hitler-Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg bitter erworben haben - sogleich nach dem Abitur auf der Chemnitzer Hohe Straße, die damals den Namen eines Nazi-Gauleiters Mutschmann trug, war er blutjung eingezogen worden und erlebte das Kriegsende in Gefangenschaft. Mendt studierte Germanistik und Anglistik und später evangelische Theologie an den Universitäten Leipzig, Berlin und Basel. Zunächst danach an einem Predigerseminar tätig, wurde der Studenten- und Gemeindepfarrer in Leipzig bald Oberkirchenrat im dortigen evangelisch-lutherischen. Landeskirchenamt, stets auch mit populärwissenschaftlichen Darstellungen zu theologischen Themen befasst. Dazu also listig Satire und Humor, ein Feld, von dem sich der Autor erhofft haben mochte, Unsagbares mitzuteilen, das im Arbeiter-und Bauern-Staat subversiv erscheinende Quantum an Distanz zur Wirkung zu bringen. Die damals im Union-Verlag erschienenen Bänd-chen hatten überdies im Bereich "menschlich-allzumenschlich" eine gewisse Nähe zu Eugen Roth im, wie es hieß, relativ unverfänglichen "Die Leviten gelesen" mit Illustrationen eines weiteren Einheimischen, des in Wittgensdorf in Stille schaffenden Henry Büttner. "Fünf Minuten Kirchenkunde. Kleines Lexikon für evangelische Christen" erschien 1966 und erlebte 1998 als "Kaleidoskop aus 2000 Jahren" eine zweite, überarbeitete Auflage in der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig. "Boot im Sturm" ist das wohl jüngste Mendt-Taschenbuch.
Die knappe Recherche zu Dietrich Mendt, dem am 4. November vor 75 Jahren im nahen Niederwiesa geborenen Theologen und Schriftsteller, führt nicht nur zu offenkundigen Autorenfrüchten. In einem leicht verborgenen Erich-Kästner-Buch "Ein Moralist aus Dresden" findet man Mendts Namen 1996 im Kreise weiterer Beiträger ebenso wie in den 1992 herausgekommenen "Dokumentierten Geschichten: Verfluchte Gewalt." Mendt mischt sich ein. Auch in seiner jüngsten Aussaat-Schrift "Was kommt nach dem Tod?", 2001 erschienen, findet sich der Verweis auf seinen Pastoren-Roman, der schon 1979 als Lizenzausgabe des Union-Verlages (DDR) in Stuttgart erscheinen konnte: "Ich träumte, ich saß am Reißbrett und entwarf die neue Stadt Gottes." Zitate taugen allenfalls als Impuls des eigenen Zu-Ende-Lesens. Jeder finde Zeit dazu. Einladen lässt sich der 75jährige gewiss gern in die alte Heimat, zu manch ernsthaft-heiteren Gesprächsstunden über Gott und die Welt. Wovon Gebrauch gemacht werden sollte.
Quelle: Stadtstreicher Chemnitz, Addi Jacobi