Gerlind Ahnert
Mehr als 30 Jahre Live-Arbeit vor Kameras und Publikum in Ost und West
Nahe der Lessing-Apotheke führt die Chemnitzer Hainstraße an einem winzigen längst verlassenen Laden vorbei, in dem nach dem Zweiten Weltkrieg Kurt Ahnert ein kleines Antiquitätengeschäft betrieb. Von Haus aus war er Kameramann, Wochenschau-Operateur, doch beim "Defa-Augenzeugen" war für ihn keine Verwendung. Erst als später das Sportfernsehen vergrößert wurde, kam Kurt Ahnert wieder in sein Metier: 1936 hatte er im Filmstab der Leni Riefenstahl während der Olympischen Spiele gedreht. Tochter Gerlind durchlief ab 1950 zuerst eine Chemiewerker-Lehre im "VEB Fettchemie- und Fewa-Werk" Neefestraße, war dort auch im Betriebsfunk zu hören, ehe sie nach Leipzig ins Funkhaus wechselte. Für Prof. Hans Sandig, dem Chef des Rundfunkjugendchores, wurde sie zur "rechten Hand", zugleich mit ihrem Schauspielstudium folgten Sprecherinnen-Einsätze, Moderationen würde man heute sagen.
Wenn Gerlind Ahnert in nächster Zeit wieder einmal in ihre Geburtsstadt kommt, sollte eine kleine Retrospektive ihrer Defa-Spielfilme möglich sein. Noch vor ihrer größeren Popularität als Programmsprecherin des Deutschen Fernsehfunks seit 1958 sammelte sie allerhand Ateliererfahrung bei Regisseuren wie Wolfgang Luderer ("Meine Freundin Sybille"), Richard Groschopp ("Ware für Katalonien", "Die Liebe und der Co-Pilot"), Joachim Kunert ("Ehesache Lorenz"), Walter Beck ("Drei Kapitel Glück"), Janos Veiczy ("Reportage 57") oder Siegfried Hartmann ("Das verhexte Fischerdorf"). Dazu war Gerlind Ahnert oft in Fernsehspielen und TV-Filmen zu erleben, wirkte an Unterhaltungsabenden wie Quermanns "Da lacht der Bär" mit, tourte durch alle Bezirksstädte mit den Zentralen Programmen der Pressefest-Tourneen, gastierte beim bulgarischen oder kubanischen Fernsehen - denn auch im fremdsprachigen Bereich war sie firm. Wen man auch fragt, von Renate Hubig bis Edda Schönherz, vom SFB bis zum BR also - man hört von Gerlind als einem immerzu verläßlichen Kumpel und einer Fachfrau von Format. Nichts anderes hatten ihre alten Weggefährten aus Chemnitzer Fewa-Jahren fest erwartet....
Auch eine örtliche Episode aus der Frühzeit des industriellen Fernsehens verbindet sich mit ihrem Namen, eine gut belachte "Verlade", die noch kurz erzählt sein soll. Als 1965 in Karl-Marx-Stadt eine 800-Jahr-Feier vorbereitet wurde, war im Café am Roten Turm eine gesellige Veranstaltung im Stile der Reihe "Abends im Klub" vorgesehen. Dem Publikum wurde eingangs erzählt, der Stadtfunktionär Werner Hoppe sei deshalb diesmal am Kommen verhindert, weil er pünktlich 19.50 Uhr und ganz überraschend in Adlershof über das Stadtjubiläum interviewt werde. Da das aber doch von allgemeinem Interesse sei, habe man flink die Leute vom Industrie-Fernsehen RFT aufgeboten. Sechs Teewagen mit großen Geräten fuhren also herein, gerade bei Sendebeginn waren sie perfekt angeschlossen. Auf dem Bildschirm dann zuerst Gerlind Ahnert, also alles echt, und dann das Interview mit Werner Hoppe, exakt zehn Minuten bis Punkt 20 Uhr. Zwei Minuten später führte Gerlind Ahnert Hoppe dann in den Saal, denn das improvisierte Studio hatte sein Domizil ganz oben im "Roten Turm" nebenan. Wie gesagt, Frühjahr 65!
Quelle: Stadtstreicher Chemnitz, Addi Jacobi