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Alexander Gauland

 

Staatssekretär a.D. Dr. Alexander Gauland

Zur rechten Zeit das rechte Mass Die geistige Dimension des Westens

Sein Schulweg von der Barbarossastraße 22 zur André-Schule führte stets über die Weststraße. Auch später, zur Penne an der Markthalle, nahm er jene Stra-ße, die ihren Orientierungsbegriff "West" nie verlor. Warum Vater vom Amt des Chemnitzer Polizeipräsidenten suspensiert worden war (das hatten die Hitler-Leute so geregelt), warum dieser gerade Mann gleichsam als Frühpensionär durch seinen Lebensrest gehen mußte, das mag dem 1941 geborenen Chemnitzer ebenso zu denken gegeben haben wie die Konversation der großbürgerlichen Kaßberger, die mit seinen Eltern verkehrten, oder die Sendungen des deutschsprachigen Dienstes von BBC. Sobald es nur zu schaffen war, fand Alexander Gauland mit dem hiesigen Abitur 1959 seine "Weststraße", absolvierte die im zweistaatlichen Nachkriegsdeutschland unerläßlichen Ergänzungen 1960 in Gießen und studierte zur rechten Zeit das rechte Maß. Der Doktorpromo-tion von 1970 folgte 1971 korrekt die zweite juristische Staatsprüfung, der die erste im Jahre 1966 vorangegangen war. Dann begannen, den klaren Weg der Chancenfreiheit fortsetzend, sofort die Jahre im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, eine Verwendung im diplomatischen Dienst (Generalkonsulat Edinburgh) und darauf Tätigkeit in der CDU/ CSU-Fraktion des höchsten deutschen Parlaments.
Für die Bestände der Chemnitzer Stadtbibliothek konnten unmittelbar nach ihrem Erscheinen zwei neue Bücher des gebürtigen Chemnitzers erworben werden: "Das Haus Windsor" (Siedler-Verlag), und "Helmut Kohl - Ein Prinzip", letzteres keine Biographie, eher eine in gepflegter Distanz bedachte Wertung. 1971 erschien im Verlag Duncker & Humboldt "Das Legitimitätsprinzip in der Staatenpraxis seit dem Wiener Kongreß", weithin wohl auf der Dissortation fußend. Brisant seine "Streitschrift gegen die falschen deutschen Traditionen - Westliche Werte aus konservativer Sicht" mit dem Haupttitel "Was ist Konservatismus?" Welcher andere Chem-nitzer seiner Generation und Kompetenz erwarb sich solch Reservoire, solch Repertoire für die deutsche Zukunft?
Zum Kanzlerjubiläum las man Ende Oktober in der "Märkischen Allgemeinen" Gaulands Frage "Was stört uns also an Helmut Kohl, und weshalb waren und sind fast alle Analysen falsch?" Zu den Resultaten der Überlegungen zählt im gleichen Gauland-Kommentar das Fazit: "Ein Kanzler dieses Zuschnitts ist deshalb trotz aller Einwände des Provinzialismus und des Aussitzens gut für den deutschen Seelenhaushalt und dabei weniger fehleranfällig als Francois Mitterand und Margaret Thatcher. Daß die Partei darüber an Profil verloren hat, war wohl unvermeidlich, dürfte ihr aber in der Zukunft noch manche Probleme bereiten." Eine Prognose aus dichter Kenntnis der feinen Unterschiede zwischen Sach- und Personalentscheidungen, zwischen Alltags- und Realpolitik.
Dieses Jahr ist es schon ein Dezenium her, daß der Publizist Gauland zum Staatssekretär und Chef der hessischen Staatskanzlei avancierte. Wer sich exakt nach der Distanz zwischen Dichtung und Wahrheit in Walsers Roman "Finks Krieg" erkundigen will, wer die Dimension literarischer Möglichkeiten im politischen Kalkül erfragen will, kann durchaus die Gelegenheit am 8. Januar im Chemnitzer Stadtverord-netensaal nutzen. Gauland, so las es sich im Spiegel 12/96, fühle sich durch Walsers Buch allenfalls "auf einem Eckbänkchen der Weltliteratur" sitzend. Er "wundere sich ein bißchen." Die "Süddeutsche Zeitung" wertete zu einer Auffermann-Rezension "Dicke, fiese Suppe Fakten und Fiktion". Eine literarische Entgegnung aber, vielleicht in der von Alexander Gauland mitherausgegebenen "Märkischen Allgemeinen", käme für ihn nicht in Frage, meint der gebürtige Chemnitzer
gelegentlich, eher ein Essay über
Walsers "jüngste deutsch-nationalen Merkwürdigkeiten". Walsers Versuch "über den Frankfurter Macht-Filz" findet Alexander Gauland akkurat "völlig mißraten" und schloß für sich die Geschichte mit dem Manzoni-Wort, das er dem Autor vom Bodensee zudenkt: "Du kannst mit deinem Hasse allen Segen von dir wenden."
Die alten Freunde aus der Chemnitzer Zeit hat Alex Gauland auch in den Jahrzehnten seit seinem Fortgang in den Westen nicht aus den Augen verloren. Dieser Westen - "war nicht bloß der Westen des geteilten Landes, der Westen hatte eine geistige Dimension und die fand ich in London und
Washington, in Edinburgh und San Franzisko. Ich bin ein Produkt der Umerziehung." - Seine Kindheitserinnerungen hat er gern für Tilo Richters Kaßbergbuch zu Papier gebracht,
nicht ohne den Zusatz "...und ich bin stolz darauf."

 

Quelle: Stadtstreicher Chemnitz, Addi Jacobi

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